: 13.000 Bosnier vermißt
■ Von Karadžić-Serben gewaltsam vertrieben. Banditen überfallen Konvois
Genf (dpa/epd/AP) – Das UN- Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) ist „tief besorgt“ über das Schicksal von bis zu 13.000 vermißten Muslimen und Kroaten in der nordbosnischen Region um Banja Luka. Ein Sprecher des Hilfswerks sagte gestern in Genf, die Menschen seien Ende September und Anfang Oktober von den Karadžić- Serben gewaltsam aus ihren Häusern vertrieben worden. Es lägen der UN keinerlei konkrete Informationen vor, was mit ihnen geschehen ist. „Wir fühlen uns hilflos. Wir haben keinen Zugang zu den Leuten. Wir wissen nicht, was mit ihnen passiert ist“, sagte der Sprecher.
Unter den Vermißten seien bis zu 3.000 Männer im wehrfähigen Alter, die wohl „irgendwo von den Serben festgehalten werden“. Vor zwei Wochen hatte der Sprecher Hinweise bestätigt, nach denen die Karadžić-Serben offenbar ihre berüchtigten Todeslager im Nordwesten Bosniens wieder geöffnet haben und darin muslimische und kroatische Männer festhalten. In den Lagern hatten die Karadžić- Serben Berichten zufolge 1992 und 1993 Tausende von Männern, zum Teil bestialisch gequält, sexuell mißbraucht und getötet.
Die Vertreibungen und Gewalttaten in der Region um Banja Luka bringt die UN vor allem mit dem mit internationalem Haftbefehl gesuchten Kriminellen Zeljko Raznjatović, der sich selbst „Arkan“ nennt, in Verbindung. Als dieser mit seinen Gefolgsleuten am 21. September in die Region eingefallen sei, hätten auch die Vertreibungen großen Ausmaßes begonnen, hieß es in Genf.
Bewaffnete Banden überfallen nach Angaben des UNHCR immer häufiger Fahrzeuge von Hilfsorganisationen in der Region um Banja Luka in Bosnien. Mehrere Mitarbeiter des UNHCR und des Roten Kreuzes seien bei Überfällen in dem von den Karadžić-Serben besetzten Gebiet angeschossen worden, teilte der Sprecher Ron Redmond gestern in Genf mit. Der erste Test des freien Zugangs nach Sarajevo über von den Pale-Serben gehaltene Gebiete, ist gestern erfolgreich verlaufen. Vier zivile Lastwagen trafen mit einer UN-Eskorte in der Hauptstadt ein. Die vier Lastwagen waren von Pazarić, 18 Kilometer südöstlich von Sarajevo, aus ausgebrochen.
In Washington sollten unterdessen die Gespräche zwischen den Verteidigungsministern der USA und Rußlands, William Perry und Pawel Gratschow, weitergehen, bei denen nach einer ersten Annäherung am Vorabend noch keine Einigung erreicht wurde.
Der bosnische Präsident Izetbegović erklärte in einem Interview der New York Times, die Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Bosnien sei die Entmachtung von Serbenführer Radovan Karadžić und seiner Gruppe, darunter Armeechef Ratko Mladić. Er sagte, er habe Hinweise, daß der serbische Präsident Milosević einen solchen Schritt im Sinn habe. Izetbegovic nannte die Gruppe um Karadžić kriminell.
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