Pat Mooney über Klima und Welthunger: "Die Pflanze wird neu entwickelt"

Mit großflächigen Eingriffen in das System Erde oder der synthetischen Biologie sind die heutigen Probleme nicht zu lösen, sagt der kanadische Umweltexperte Pat Mooney.

Zuckerrohranbau für die Ethanolgewinnung in Brasilien. Bild: dpa

taz: Herr Mooney, im März treffen sich im kalifornischen Monterey Wissenschaftler aus aller Welt. Worum geht es da?

Pat Mooney: Sie werden verkünden, die Rettung der Welt vor den Folgen des Klimawandels liege im Geo-Engineering. In Kopenhagen habe sich gezeigt, dass die Regierungen und die UNO nicht mit dem Klimawandel fertigwerden. Also soll eine Koalition der Willigen her, ein paar Länder, ein paar Milliardäre, um diesen Plan B durchzusetzen.

Was ist Geo-Engeneering?

Großflächige Eingriffe in die Erdatmospäre, in die Ozeane oder in den Boden, etwa indem man Schwefelpartikel in die Stratosphäre bläst, um die Sonnenstrahlen zurückzuwerfen: Oder man streut Eisenpartikel auf die Meeresoberfläche, um CO2 absorbierende Algen zu vermehren und die Meerestemperatur zu senken. Es ist kein Zufall, dass sich diese Leute gerade im malerischen Asilomar-Resort treffen.

Was ist an diesem Ort so besonders?

geb. 1947, der Kanadier ist Träger des Alternativen Nobelpreises und Experte für Nanotechnologie, die Ernährungskrise sowie Gentechnologie. Er ist Chef der ETC Group in Ottawa, einer weltweit bekannten NGO.

Vor genau 35 Jahren fand dort ein Treffen von Gentechnikern statt, die einen freiwilligen Verhaltenskodex verabschiedeten. Tatsächlich kamen die ersten staatlichen Regelungen 20 Jahre später. Damals wie heute lautete die Botschaft: Die Wissenschaft wird es schon richten.

Hält sich Politik heute auch so zurück?

Im US-Kongress und im britischen Parlament finden gerade Hearings mit dem Ziel statt, öffentliche Mittel für Geo-Engineering-Versuche im großen Stil frei zu machen. Für die USA oder auch für Großbritannien hat das den Vorteil, dass die UNO nicht zustimmen muss. Solche absurden Strategien kamen erstmals in den Siebzigerjahren auf, jetzt werden sie leider salonfähig.

Was meinen Sie, warum wird gerade jetzt ernsthaft über diese Experimente nachgedacht?

Einige von ihnen scheinen jetzt umsetzbar zu sein. Die furchterregendsten sind wohl jene, mit denen die Veränderungen in der Stratosphäre angestrebt werden. Man pustet Schwefel oder Salz hinauf, um durch künstliche Wolkenbildung die Temperatur zu senken. Der Nobelpreisträger Paul Crutzen vom Max-Planck-Institut in Hamburg schätzt, dass es 25 bis 50 Milliarden Dollar im Jahr kosten würde, diesen "kosmischen Staub" zu produzieren. Gar nicht so viel, wenn man das mit der Rettung einer Bank oder einer Autofirma vergleicht …

Wie verhält sich die US-Regierung dazu?

Obamas Wissenschaftsberater und andere Leute waren früher gegen Geo-Eingineering, jetzt schweigen sie. Und Energieminister Steven Chu ist dafür. Für die Industrie ist es eine wunderbare Lösung, sie müsste sich nicht umstellen, und auch die Politiker müssten ihren Wählern nicht zumuten, ihren Lebensstil zu ändern.

Woher dürfte am ehesten Widerstand kommen?

Von den Regierungen des Südens. Warum sollten sie diesen überwiegend weißen, englischsprachigen Männern die Lösung ihrer Probleme anvertrauen? Selbst wenn durch Interventionen in die Stratosphäre die Temperaturen in den gemäßigten Zonen um zwei Grad sinken würden, sind Auswirkungen auf Tropengebiete wahrscheinlich, etwa Dürren in Indien oder in der Sahelzone.

Sie arbeiten auch zum Thema Welternährung. Da werden ebenfalls Wunderlösungen angeboten.

Ja, da gibt es den Bereich der synthetischen Biologie. Da wird nicht nur wie in der Gentechnik ein Gen von einer Art in eine andere verschoben, sondern da werden DNA-Sequenzen neu gebastelt, große DNA-Stränge in Pflanzen eingebaut, oder die Pflanze wird ganz neu entwickelt. Das ist noch viel riskanter als die Gentechnik, es ist auch völlig ungewiss, ob das funktioniert.

Könnte das dennoch ein Mittel gegen den Welthunger sein?

Nein, im Gegenteil. Das große Ziel ist die zweite, die dritte Generation des Agrosprits. In Brasilien gibt es ja heute schon einen Dominoeffekt: Das Zuckerrohr für die Ethanolproduktion verdrängt die Soja, diese wiederum die Viehweiden, die auf den Regenwald zurücken. In Afrika ist das noch viel direkter. Die Firmen nehmen das Land mit dem besten Zugang zu Wasser, oder sie leiten das Wasser von benachbarten Gebieten auf ihre bewässerten Agrospritfelder.

Es heißt ja oft, in Afrika gäbe es genug Land, um Agrotreibstoffe anzubauen …

Nein, dieses angeblich marginale Land ernährt ein Drittel aller Afrikaner, die in ländlichen Gebieten leben, ohne es würden noch viel mehr an Hunger sterben. Die Frage ist ja auch: Wie überleben wir den Klimawandel? Das agroindustrielle Modell hat ja in den letzten 50 Jahren konsequent die Vielfalt zerstört und auf eine Handvoll von Getreide-, Nutztier- oder Fischarten reduziert. Das hat uns extrem verwundbar gemacht. Andererseits gibt es ja immer noch unglaublich diverse Kleinbauernsysteme. Kleinbauern sind auch viel innovativer als die industriellen Farmer.

Was heißt das für die Produktion von Lebensmitteln?

85 Prozent der Lebensmittel werden im selben Land hergestellt, wo sie konsumiert werden, und 85 Prozent werden ohne Pestizide oder importiertes Saatgut hergestellt. Das ist lokale Produktion, was man durch den Blick auf Monsanto, DuPont oder Syngenta leicht übersieht. Wir müssen erkennen, dass wir ohne die Kleinbauern nicht überleben werden. Schon heute ernähren sie die Welt.

Doch die Macht liegt zu mindestens 85 Prozent beim Agrobusiness …

Man muss verstehen, dass für unser Überleben und die Lösung des Hungerproblems die Vielfalt ganz zentral ist. Schon heute werden die über eine Milliarde Hungernden nicht primär durch Nahrungsmittelhilfe ernährt oder gar von Monsanto oder Cargill, sondern von ihren Nachbarn. Drei Viertel aller Hungernden leben in ländlichen Gebieten. 85 Prozent der Nahrung werden nicht vom Agrobusiness produziert, auch das ist eine Macht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.