Verfassungsgericht prüft Gengesetz: Magdeburger Gentech-Lobby

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über Gentechnikregeln. Umweltverbände und Gewerkschaftler warnen vor einer Aufweichung der Bestimmungen.

Protest vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Bild: apn

KARLSRUHE/BERLIN apn/dpa/taz | Das Bundesverfassungsgericht verhandelt seit Mittwochmorgen über das Gentechnikgesetz, das den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen regelt. Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat das Gesetz als Verstoß gegen das Grundgesetz angegriffen, weil sie unter anderem den Eingriff in die Berufsfreiheit der Bauern als unverhältnismäßig ansieht. Umweltverbände und Gewerkschaften warnten dagegen vorab vor einer Aufweichung der Bestimmungen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warf der Landesregierung Sachsen-Anhalts vor, mit ihrer Klage die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Deutschland zu gefährden. Die Beanstandungen hinsichtlich der Haftungsansprüche bei gentechnischer Verunreinigung und der Veröffentlichung von gentechnischen Anbauflächen bezeichnete er als haltlos. Würde der Klage stattgegeben, hätte die gentechnikfreie Landwirtschaft keine wirksame Handhabe mehr, sich gegen gentechnische Verunreinigungen zu wehren.

Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Ihr Vorsitzender Franz-Josef Möllenberg warnte: "Sollte sich Sachsen-Anhalt in Karlsruhe durchsetzen, wird die Unterscheidung von gentechnikfreien und gentechnikveränderten Lebensmitteln nicht mehr möglich sein." Die Wahlfreiheit für Verbraucher wäre damit gefährdet. Die Angaben im Standortregister, das Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen ausweist, dürfen nicht eingeschränkt werden, weil sonst Verunreinigungen in der Lebensmittelkette nicht zurückverfolgt werden können. Die Transparenz müsse erhalten bleiben.

Streit über Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit

Die Klage Sachsen-Anhalts gegen das Gentechnikgesetz wurde bereits 2005 von der damaligen Landesregierung aus CDU und FDP eingereicht. Obwohl in Sachsen-Anhalt inzwischen eine CDU-SPD-Koalition regiert, wird die Klage weiterverfolgt. Sozialdemokratische Politiker aus Sachsen-Anhalt haben sich zu der Klage bisher noch nicht geäußert.

Im Zentrum der Kritik aus Magdeburg steht die strenge Haftung für Landwirte, die gentechnisch veränderte Produkte verwenden. Angeblich schränke das Gentechnikgesetz die Berufsfreiheit von Bauern und Forschern, die Gentechnik nutzten, durch überzogene Haftungsansprüche ein. Verbreiten sich die Pflanzen durch sogenannte Auskreuzungen im Nachbarfeld, könnten Bauern zu Entschädigungszahlungen verpflichtet sein. Die Haftung besteht unabhängig von einem Verschulden.

Umstritten ist auch das Standortregister, wonach der Anbauort gentechnisch veränderter Pflanzen veröffentlicht werden muss. Das begünstige politisch motivierte Feldzerstörungen, wird in der Klageschrift argumentiert. Zudem verletze die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.

Vor Beginn der Verhandlung hatten sich am Morgen Umweltschützer zu einem "gentechnikfreien Frühstück" vor dem Bundesverfassungsgericht versammelt. Der Vorsitzende des Verbandes für ein gentechnikfreies Europa, Jürgen Binder, sagte: "Ich erhoffe mir, dass das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung des Gentechnikgesetzes zum Schutz einer gentechnikfreien Landwirtschaft anerkennt und auch das Recht der Verbraucher auf eine gentechnikfreie Ernährung."

Mit einem Urteil der Karlsruher Richter wird erst in etwa drei Monaten gerechnet. Zu fällen hat es der Erste Senat, der am Mittwoch erstmals unter Vorsitz des neuen Gerichtsvizepräsidenten Ferdinand Kirchhof verhandelt.

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