: 1 Milliarde für den Fluss
General Electric soll für Verschmutzung des Hudson River haften, wehrt sich aber heftig
aus New York DAVID SCHRAVEN
Die amerikanische Umweltbehörde EPA hat den Konzern General Electric verpflichtet, den Hudson River zu sanieren. Der Elektrik- und Finanzriese soll den PCB-verseuchten Grund eines über 60 Kilometer langen Stücks des Stromes im Bundesstaat New York ausbaggern und umweltgerecht entsorgen. „Nach dem Verursacherprinzip muss General Electric die gesamten Kosten von 460 Millionen Dollar (1,1 Milliarden Mark) tragen“, sagte eine Sprecherin der EPA (Environmental Protection Agency, www.epa.gov) am Freitag.
Mitte der Vierzigerjahre hatte General Electric in den beiden Kleinstädten Fort Edwards und Hudson Falls im dünn besiedelten Norden des Bundesstaats zwei Isolatorenwerke eröffnet. Bei der Produktion der elektronischen Kleinteile wurde eine Chemikalie benutzt, die das Krebs erregende PCB enthielt. Mehr als 500 Tonnen der öligen, gelb schillernden Flüssigkeit wurden bis zu dessen Verbot 1977 ungeklärt im Hudson verklappt.
Über Jahrzehnte galt das Naherholungsgebiet der Metropole New York als biologisch tot. Das stark giftige PCB hatte den Flussgrund und weite Uferzonen verseucht. Erst seit kurzem konnen wieder Fische unterhalb von Fort Edward gefangen werden. Ihr Verzehr ist verboten.
Henry Nichols aus einem Dorf südlich von Hudson Falls zeigt auf eine verschorfte Wunde an seinem Bein. „Die hab ich seit Jahren“, sagt der 71-jährige Rentner. Er glaubt, er hat den Ausschlag vom langen Stehen im verseuchten Fluss. General Electric hat am Freitag mit einer Klage gegen die Enscheidung der EPA gedroht. Dem Angler Henry Nichols ist das egal. Er hofft, endlich wieder essbare Fische fangen zu können, wenn der PCB-verseuchte Flussgrund weg ist.
Nach den Plänen der EPA soll mit dem Ausbaggern erst im Jahr 2004 begonnen werden. In den nächsten Wochen werde gemeinsam mit den Anrainern über das weitere Vorgehen beraten, sagte die EPA-Sprecherin.
Die Vereinigung der New Yorker Umweltschutzverbände „Freunde eines sauberen Hudson“ zeigte sich begeistert (www.cleanhudson.org). „Wir preisen Christine Whitman für diese Entscheidung“, sagte Ned Sullivan, Präsident des Umweltverbands Scenic Hudson. Whitman war in den USA zuletzt in die Kritik geraten. Umweltlobbyisten warfen der obersten Umweltschützerin vor, nicht stark genug gegen den Vorstoß von Präsident George W. Bush gekämpft zu haben, in einem Naturschutzgebiet in Alaska nach Öl bohren zu lassen.
Mit der Entscheidung, den Hudson ausbaggern zu lassen, hat sich die ehemalige Gouverneurin des US-Bundesstaats New Jersey gegen den enormen Druck General Electrics durchgesetzt. Der Vorstandsvorsitzende des Milliardenkonzerns, Jack Welch, gehörte zu den Hauptfinanciers des Wahlkampfs von Präsident Bush. General Electric setzte im vergangenen Jahr rund 32 Milliarden Dollar um. Der Gewinn lag bei 3,9 Milliarden Dollar.
Welchs Unternehmen hat laut Schätzungen der Umweltverbände über 60 Millionen Dollar (132 Millionen Mark) fur eine Anti-Ausbagger-Kampagne ausgegeben. In Lokalzeitungen wurden Anzeigen geschaltet. Ein halbstündiger Fernsehfilm wurde produziert und als Werbesendung an die regionalen TV-Stationen verteilt. Das Ziel war vor allem, Ängste bei Flussanwohnern zu schüren. Tim Havens wohnt in Hudson Falls. Er ist Präsident der Gruppe „Bürger und Umweltschützer gegen das Einkapseln von Schlamm“. „Beim Ausbaggern wird das PCB im Flussboden aufgewühlt und verseucht den Fluss zum zweiten Mal“, sagt er. General Electric bezahlte Havens’ Gruppe laut eigenen Angaben Plakate und Sticker mit Parolen gegen das Ausbaggern.
Eine Sprecherin der EPA bestätigt die Gefahr, dass PCB erneut aufgewirbelt werden kann, sagt aber: „Das ist nichts im Vergleich zu dem PCB im Flussboden, dass nach und nach in das Wasser ausschwemmt und Fische und Pflanzen am Hudson verseucht.“
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