„Die Rasse zählt nicht“

Barack Obama will für den Wandel und eine neue US-Politik stehen und nicht wegen seiner Hautfarbe gewählt werden

„Wir wollen nicht nur einen Wechsel im Weißen Haus. Wir wollen den Status quo in der Politik überwinden“

AUS COLUMBIA ADRIENNE WOLTERSDORF

„Yes, we can, yes, we can!“ Der Jubel der Obama-Fans war so laut, dass er noch zwei Straßenkreuzungen vom Konferenzzentrum in Columbia entfernt zu hören war. Dabei hatten die Wahllokale im US-Bundesstaat South Carolina gerade erst zugemacht. Doch schon meldeten die US-Nachrichtensender den überwältigenden Wahlsieg des schwarzen Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama. 55 Prozent der demokratischen Wähler stimmten am Samstag für den 46-jährigen Senator aus Illinois, so das spätere amtliche Endergebnis – mehr als doppelt so viele wie für Hillary Clinton mit 27 Prozent. 18 Prozent wählten den in South Carolina geborenen John Edwards.

Mit einem solchen Traumergebnis hatten noch am Samstagnachmittag nicht einmal die engsten Obama-Mitarbeiter gerechnet. „Niemand, niemand hat das geahnt, wer was anderes sagt, lügt“, freute sich Samantha Power, Obamas außenpolitische Beraterin, nach den ersten Hochrechnungen. „Das Beste ist, dass ihn nicht nur die große Mehrheit der schwarzen Wähler, sondern auch rund ein Viertel der weißen gewählt haben“, sagte Harvard-Professorin Power der taz.

Dabei sei die vergangene Woche extrem hart gewesen, denn Barack Obama habe gegen beide Clintons, vor allem gegen Attacken von Hillarys Ehemann, Expräsident Bill Clinton, ankämpfen müssen. „Aber dessen Versuch, Obama in die afroamerikanische Ecke abzudrängen und damit weiße Wähler zu verunsichern, ging total nach hinten los“, meinte Powers.

Zuvor hatte Bill Clinton trocken bemerkt, dass der erste schwarze Präsidentschaftsbewerber, Jesse Jackson, 1984 und 1988 „auch den Süden gewonnen hat“. Womit er sagen wollte, dass South Carolina mit seinem hohen schwarzen Bevölkerungsanteil von 30 Prozent eben eine Anomalie sei.

Hillary Clinton hatte sich angesichts der Favoritenrolle Obamas in South Carolina rar gemacht. In der Woche vor der Wahl absolvierte die ehemalige First Lady Termine in Kalifornien, Arizona und New Jersey, bevor sie am Donnerstag nach South Carolina zurückgekehrt war. Dafür hatte ihr Mann mit seinen stetigen Angriffen auf Obamas bisherigen Lebenslauf und seine Glaubwürdigkeit umso mehr die Konkurrentenrolle eingenommen. In einem Interview hatte sich Barack Obama beklagt, dass er nicht genau wisse, ob er gegen einen oder gegen zwei Gegner kämpfe.

Hillary Clinton gestand am frühen Samstagabend ihre Niederlage ein. Sie war bereits kurz nach der Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen nach Tennessee abgereist. „Ich gratuliere Senator Obama“, sagte sie später am Abend vor Anhängern in Nashville, Tennessee. „Jetzt richten wir unsere Augen auf den 5. Februar.“ Clinton will sich jetzt ganz auf die bevölkerungsreichen und politisch einflussreichen Bundesstaaten konzentrieren, in denen an jenem 5. Februar, dem sogenannten Super Tuesday, gewählt wird.

Politische Kommentatoren sind der Ansicht, dass auch nach den Carolina-Primaries die Kandidatenkür bei den Demokraten völlig offen sei. Nach einem anfänglichen Wahlsieg in Iowa folgten für Obama zwei Niederlagen gegen Clinton und nun erneut ein herausragender Wahlsieg. Eine Entscheidung, so die Analysten, sei frühestens am 5. Februar zu erwarten, wenn in 22 US-Bundesstaaten Vorwahlen stattfinden. Clinton verfügt gegenwärtig über 249, Obama über 167 und John Edwards über 58 Delegiertenstimmen.

Allerdings wollten einige Analysten nicht ausschließen, dass auch nach dem Superwahltag am 5. Februar das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Obama und Clinton weitergehen könnte. Offiziell werden die Kandidaten erst auf den Parteitagen der Parteien im Spätsommer gekürt. Clinton liegt in den Meinungsumfragen in mehreren gewichtigen Bundesstaaten vorn, so etwa in Kalifornien, New York, New Jersey und Massachusetts.

In Columbia sagte Senator John Edwards sichtlich enttäuscht, dass er nicht aufgeben werde, sondern seine Kandidatur aufrechterhalten wolle. Edwards gilt für einige Analysten bereits als „Präsidentenmacher“, da er beim Nominierungsparteitag im Sommer mit seinen Delegiertenstimmen das Zünglein an der Waage spielen könnte.

Obama, der nach seinem Wahlsieg zu einem jubelnden, johlenden und vor Freude weinenden Publikum sprach, sagte: „Ja, wir können den Wandel bringen. Ja, wir können diese Nation heilen!“ Nachdrücklich betonte der Senator, dass es ihm nicht nur um die Anliegen der Afroamerikaner gehe. Eine Aussage, die die Menge mit „Rasse spielt keine Rolle“-Rufen bestätigte. Eines seiner Hauptziele sei es, den eingefahrenen Parteienstreit in Washington zu überwinden. „Wir wollen nicht nur einen Wechsel im Weißen Haus“, sagte Obama. „Wir wollen den Status quo in der Politik grundlegend überwinden.“ Obama fasste seine Kandidatur schließlich selbst in einem Satz zusammen: „Bei dieser Wahl geht es um Vergangenheit versus Zukunft!“