Nächtliche Wärme unterm Südstern

Obdachlose dürfen in U-Bahnhöfen übernachten. Nach jahrelanger Blockade hat die BVG fast in Sekundenschnelle ihre Meinung geändert. Bei klirrender Kälte bleiben drei Stationen offen, damit auch diesen Winter niemand in Berlin erfriert

von ANNE HAEMING

Schillingstraße, Hansaplatz und Südstern – drei Berliner U-Bahnhöfe, die seit Mittwoch noch kundenfreundlicher sind als andere. Vorgestern haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) kurzfristig entschieden, nachts die drei Bahnhöfe für Obdachlose zu öffnen. Seit Jahren wird jeden Winter über diese Möglichkeit diskutiert, bislang hatte die BVG eine solche Praxis stets abgelehnt.

Das sei kein Sinneswandel, betont BVG-Sprecher Ulrich Moneke. Wieso das Verkehrsunternehmen seine langjährige Blockadehaltung ausgerechnet jetzt aufgegeben hat, liegt an einem Anruf von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS). „Es gab am Mittwoch zum ersten Mal eine konkrete Anfrage von der Sozialverwaltung“, erklärt Moneke. „Bisher waren immer nur Kirchen und Wohlfahrtsverbände an uns herangetreten. Außerdem wollten sie stets, dass wir alle 170 U-Bahnhöfe für die Obdachlosen offen lassen.“ Da man sich nun innerhalb kürzester Zeit auf einige Aspekte habe verständigen können, sei die Entscheidung so schnell gefallen.

Zum einen konnten sich BVG und Senatsverwaltung auf drei konkrete U-Bahnhöfe einigen. Man habe die Stationen ausgewählt, weil sie aufgrund ihrer Lage von wenigen Mitarbeitern zu überschauen seien. Das Hauptargument der BVG gegen eine solche Nachtöffnung bezog sich stets auf die Sicherheit vor Ort, die gefährlichen Stromkabel. Jetzt stellt die BVG extra Personal zur Verfügung, das aufpasst, dass während der drei Nachtstunden nichts passiert. Die Kosten die so entstünden, würden kaum zu Buche schlagen, so der BVG-Sprecher. „Wir haben uns gesagt, okay, so kann die BVG ihren Beitrag dazu leisten, dass es in Berlin keine Kälteopfer gibt.“

Das schnelle Ja liegt auch daran, dass man sich auf eine Bedingung verständigen konnte: Nur wenn die Meteorologen mindestens minus zehn Grad Celsius für die folgende Nacht vorhersagen, werden die drei ausgesuchten Stationen nonstop offen bleiben.

In der ersten langen Nacht der U-Bahnhöfe hat allerdings niemand den Dienst in Anspruch genommen. So schnell hatte sich die frohe Botschaft nicht zu den Obdachlosen herumgesprochen, die BVG setzt auf „Mund-zu-Mund-Propaganda“. Wie viele seiner Kollegen hat der Streetworker Udo Krenzel aus den Medien von der Entscheidung erfahren. „Ich denke, wenn sich das institutionalisiert hat, dann werden auch die Leute kommen, um sich aufzuwärmen“, meint Krenzel, Teamleiter der Straßensozialarbeit bei der Treberhilfe. Er begrüßt die Aktion sehr und hofft, dass noch mehr U-Bahnhöfe in der Nähe von Brennpunkten über Nacht geöffnet werden. Auch Dorothea Simon-Zeiske, Vorstandsmitglied bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, findet nur lobende Worte: „Dass die BVG das macht, ist gut und richtig. Wenn sich jetzt noch die Bahn anschließen würde, fände ich es noch besser.“

Schillingstraße, Hansaplatz und Südstern sind nur drei kleine Punkte auf dem Berliner Stadtplan. Die Kältehilfe (Telefon: (0 30) 60 49 05 30) sorgt dafür, dass in ganz Berlin kein Obdachloser erfrieren muss.