: Vielseitiges Theater mit Charme
Betr.: „Vier fallende Vorhänge“, taz bremen vom 12.12.03
Seit fast einem Vierteljahrhundert (meine Güte, schon so lange) habe ich die Gelegenheit, die Entwicklung des Schnürschuhtheaters mitzuerleben. Anfang der Achtziger habe ich sie in der Halle des Kindergartens, in dem ich arbeitete, mit einer erfrischenden Aufführung eines ihrer Kinderstücke spielen sehen, das mit den spärlichsten Kulissen auskam, die man sich nur vorstellen konnte, einfach zu verpacken, überall wieder aufzubauen. Schnürschuh, das war auch die Tradition eines Straßentheaters, das dorthin ging, wo die Zuschauer waren. Irgendwann reisten sie weniger im ganzen Bundesgebiet herum, und es gab dann doch eigene Räume und schließlich das Theaterhaus am Buntentorsteinweg. Schnürschuh mauserte sich zu einem anerkannten, vielseitigen Theater, in dem immer wieder auf verständliche Weise Tabuthemen angepackt wurden.
Das jugendliche Theater von damals ist in die Jahre gekommen, aber es hat seine Traditionen nicht vergessen und seinen Charme bewahrt. Wo sonst kann man noch direkt nach dem Stück mit den Akteuren zwanglos im Cafe reden, wo sonst sind Diskussionen mit Schulklassen möglich und wo sonst finden sowohl bekannte Größen als auch ganz unbekannte Gruppen und Interpreten eine Bühne, die ihnen allen offen steht. Beim Schnürschuhtheater gibt es keine ausgrenzenden Rangunterschiede.
Wenn diese Spielstätte geschlossen wird, wird mir ganz ungeheuer viel fehlen. Hier ist mit viel Engagement und Eigeninitiative ein kleines Theater mit einem ganz eigenen Charakter aufgebaut worden. Weiß die Stadt Bremen eigentlich, was sie da zerstört?
Ulrike Kleinert, Bremen