Exekution nach dem System Texas

Heute soll in Texas der 300. Mensch seit Wiedereinführung der Todesstrafe hingerichtet werden. Doch an der Täterschaft des verurteilten Delma Banks gibt es Zweifel – wahrscheinlich ist er unschuldig. Vor der Giftspritze scheint ihn das nicht zu schützen

aus Washington MICHAEL STRECK

Die Beweise sind fragwürdig. Es gibt keine Fingerabdrücke, DNA-Proben, Tatzeugen und Motive. Trotzdem wurde der Afroamerikaner Delma Banks des Mordes für schuldig befunden und nach nur einem Tag Gerichtsverhandlung von einer ausschließlich weißen Jury im Jahre 1980 zum Tode verurteilt. Am heutigen Mittwoch, 23 Jahre später, nach mehreren abgelehnten Einsprüchen, soll Banks im US-Bundesstaat Texas mit der Giftspritze hingerichtet werden.

Sein Tod wäre die 300. Exekution in Texas seit der Wiederaufnahme der Todesstrafe im Jahre 1982. Für die ersten hundert brauchte der Staat noch 13 Jahre. Schon gut 4 Jahre später, im Januar 2000, war die 200. Hinrichtung zu vermelden. Und es jetzt, nur 3 Jahre danach, soll Delma Banks als 300. Verurteilter sterben. Doch kaum jemand nimmt Notiz. Der drohende Krieg verschluckt die Nachrichten aus der Provinz.

Vier Richter und Anwälte haben sich nun in einer letzten Rettungsaktion des Falles Delma Banks angenommen, unter ihnen der frühere FBI-Direktor William S. Sessions. Sie baten den Obersten Gerichtshof der USA, die Vollstreckung auszusetzen. „Der Fall Banks steckt voller Fehler“, kritisiert Sessions in einem Brief an das höchste US-Gericht. Die Intervention durch Sessions und drei weitere prominente Berufungsrichter ist ein weiterer Angriff auf das System der Todesstrafe, nachdem der Gouverneur von Illinois im Januar alle zum Tode verurteilten Häftlinge seines Bundesstaates begnadigt hatte. Seine Begründung: Das gegenwärtige Justizwesen biete keine Garantie, dass keine unschuldige Person zum Tode verurteilt werde.

Sessions verlangt, dass der Fall Banks neu aufgerollt wird, da Ankläger und Richter Beweise unterschlagen und Zeugen Falschaussagen gemacht hätten. Banks, zur Tatzeit 21 Jahre alt und ohne Vorstrafen, unternahm an jenem Aprilabend 1980 zusammen mit einem Freund in dessen Auto eine Spritztour. Der Junge wurde am nächsten Morgen vermisst gemeldet, seine Leiche zwei Tage später gefunden. Das Auto war verschwunden. Banks war schwarz, das Opfer weiß und damit das Todesurteil für Banks schon fast gesprochen. Denn Afroamerikaner, die beschuldigt werden, einen Weißen getötet zu haben, landen meistens in der Todeszelle.

Richter und Jury fällten ihr Urteil anhand der Aussagen zweier dubioser Zeugen. Dem Hauptbelastungszeugen, einem drogenabhängigen Straftäter, wurde angeboten, das gegen ihn anhängige Verfahren fallen zu lassen, sollte er die „richtigen“ Aussagen im Prozess gegen Banks machen. Diese Manipulation leugnete er damals während des Prozesses. Erst viel später gab er zu Protokoll, dass der zuständige Polizeichef ihm mit lebenslanger Haft gedroht habe, sollte er nicht die gewünschten Aussagen liefern. Die Richter ignorierten selbst das stärkste Argument für Banks’ Unschuld. Die Gerichtsmediziner ermittelten eine Tatzeit, zu der sich Banks drei Autostunden entfert vom Tatort aufhielt.

Die Beweislage ist „extrem dünn“, sagt Banks Verteidiger George Kendall. Dazu kämen richterliches Fehlverhalten, Rassismus und manipulierte Zeugen – ein Umstand, der in anderen Bundesstaaten längst neue Untersuchungen ausgelöst hätten. Doch dies ist Texas. Hier reiche der Fakt, dass der Angeklagte unschuldig sein könnte, nicht einmal, um die Hinrichtung auszusetzen, schreibt der Kolumnist Bob Herbert in der New York Times. „Falls Banks trotz der bekannten Prozessfehler hingerichtet wird, entwickeln wir uns zurück in die staatlich sanktionierte Barbarei.“