Zwickmühle für Trittin

Grüner Druck aus Nordrhein-Westfalen und Sachsen: Umweltminister soll die Castoren nach Ahaus stoppen

Sachsens Regierung argumentiert, die Lagerung in Ahaus sei „schlicht viel billiger“

DÜSSELDORF/AHAUS taz ■ Die geplanten Castor-Transporte aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor in Rossendorf bei Dresden ins münsterländische Ahaus werden für Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zum Problem. Während Trittin den Atomkonsens in keinem Fall wieder aufschnüren will, wächst der Druck von der nordrhein-westfälischen Landesregierung sowie von Parteifreunden und Atomkraftgegnern, die auf ein Verbot drängen: Grüne aus NRW und Sachsen lehnen die Transporte ab.

„Unsinnig und fragwürdig“ seien die Castor-Lieferungen, sagt Rüdiger Sagel, atompolitischer Sprecher der Grünen im Düsseldorfer Landtag. Da nicht die Lagerhalle, sondern die Castor-Behälter den Strahlenschutz garantierten, könne auf einen Transport quer durch die Republik verzichtet werden. Und die sächsischen Grünen erneuerten einen Vorstandsbeschluss, der einen Verbleib des Atommülls in Rossendorf vorsieht: „Das Atom-Erbe aus DDR-Zeiten“ dürfe nicht bei anderen entsorgt werden, „bis ein genehmigtes bundesweites Endlager besteht“.

Der Bundesumweltminister dagegen hält an den Castor-Transporten fest: Für Rossendorf sehe das Atomgesetz nur die Lagerung in einem Zwischenlager wie in Ahaus vor, schreibt er in einem Brief an NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD): „Einen von Ihnen vermuteten Entscheidungsspielraum gibt es nicht.“

Doch das sieht Behrens ganz anders: „Trittin muss Alternativen prüfen“, fordert sein Sprecher Ludger Harmeier – das Landesministerium fürchtet Proteste von Atomkraftgegnern und warnt, ein massives Polizeiaufgebot könne leicht 50 Millionen Euro kosten.

Auch Anti-Atom-Initiativen fordern, der Bundesumweltminister solle die Castor-Transporte stoppen, und zwar mit einer „bundesaufsichtlichen Weisung“. Doch das Bundesumweltministerium (BMU) gibt sich hart und lehnt die Forderung der NRW-Grünen ab, notfalls müsse der Bund den Bau eines Zwischenlagers in Rossendorf finanziell unterstützen. „Das Land Sachsen ist zu 100 Prozent Eigentümer der Anlage“, sagt Sprecherin Frauke Stamer. „Mehr ist dazu nicht zu sagen.“ Bislang beteilige sich der Bund nur an den Entsorgungskosten der Forschungsreaktoren Jülich und Karlsruhe, nicht aber an dem Rossendorfer DDR-Erbe, klagt der NRW-Grüne Sagel.

Die sächsische Staatsregierung jedoch beharrt ebenfalls auf den Transporten nach NRW – und bringt so die rot-grüne Koalition in Düsseldorf gegen Trittin in Stellung. Ihr Argument: Die Lagerung in Ahaus sei schlicht billiger. Ein Zwischenlager in Sachsen koste in den kommenden 40 Jahren mindestens 90 Millionen Euro, eine Lagerung in Ahaus dagegen nur 6 Millionen, argumentiert Sachsens CDU-Umweltminister Steffen Flath. Außerdem habe der Freistaat seit 1993 bereits etwa 750.000 Euro für ungenutzte Lagerflächen in Ahaus bezahlt, so Flaths Sprecher Dirk Reelfs.

Damit wird der Streit um die Castoren immer mehr zum Pokerspiel: Wie die Anti-Atom-Initiativen hält die nordrhein-westfälische Landesregierung die Zahlen aus Sachsen für überzogen. Die Rossendorfer Lagerhalle habe über 20 Millionen Euro gekostet, sagt Behrens-Sprecher Harmeier, und sei „aus baulicher Sicht“ ein Zwischenlager: „Das Trittin unterstellte Bundesamt für Strahlenschutz argumentiert doch, allein die Castoren garantierten die Sicherheit“. „Undenkbar“ sei jedenfalls dessen Kompromissvorschlag, NRW solle sich für unfähig erklären, die Transporte zu schützen: „Es gibt Dinge, die macht ein Innenminister einfach nicht.“

ANDREAS WYPUTTA