Ein seltsamer „Putschversuch“ im Kongo

Angriffe bewaffneter Rebellen auf Militäreinrichtungen in der Hauptstadt Kinshasa von Kongos Regierungstruppen niedergeschagen. Beobachter sprechen von einer Inszenierung des kongolesischen Präsidenten Joseph Kabila

LONDON taz ■ Nach heftigen Kämpfen in Teilen der Hauptstadt Kinshasa in der Nacht zum Sonntag hat die Regierung der Demokratischen Republik Kongo von einem „Putschversuch“ gesprochen. Siebzehn teils verwundete „Terroristen“ wurden am Sonntagabend in Kinshasa der Presse präsentiert, zusammen mit einem riesigen Arsenal an automatischen Gewehren, Raketenwerfern und Munition. Präsident Joseph Kabila rief in einer Fernsehansprache die Bevölkerung zur „Wachsamkeit“ gegen „Terroristen“ auf. Die Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem benachbarten Kongo-Brazzaville, von wo die Angreifer angeblich kamen, wurde geschlossen.

Die Regierung von Kongo-Brazzaville dementierte jede Beteiligung am Angriff und sprach von „Spinnerei“. Die Hauptstädte Kinshasa und Brazzaville liegen sich am Kongo-Fluss in Sichtweite gegenüber. Nach Presseberichten landeten die „Angreifer“ in der Nacht zum Sonntag per Boot an mehreren Stellen von Kinshasa und begannen mehrere Militäreinrichtungen der Stadt anzugreifen. Bei Schusswechseln wurden zwei Regierungssoldaten getötet. Ein letztes Kontingent soll sich danach im Hafen von Kinshasa verschanzt haben.

Weithin wird vermutet, dass es sich bei den Angreifern um Mitglieder der Präsidialgarde DSP des ehemaligen zairischen Diktators Mobutu handelt. Rund 3.000 DSP-Kämpfer flohen bei Mobutus Sturz 1997 aus Kinshasa nach Brazzaville und sind bis heute dort. Seit Wochen wird berichtet, dass frühere Mobutu-Soldaten unzufrieden sind, weil sie keiner der an Kongos Allparteienregierung beteiligten Fraktionen angehören und daher bei der Aufstellung einer neuen geeinten kongolesischen Armee nicht berücksichtigt werden.

Da die verschiedenen Fraktionen in der Allparteienregierung alle bewaffnete Formationen in der Reserve halten, um bei einem eventuellen Zusammenbruch des Friedensprozesses rasch handeln zu können, sind die Mobutu-Soldaten und besonders die gut ausgebildeten DSP-Kämpfer eine attraktive Söldnerarmee für jeden, der in Kinshasa Instabilität schüren will.

Aus Sicht der Anhänger Kabilas sind die jüngsten Kämpfe ein Beweis für Putschvorbereitungen ihrer Gegner. „Wir haben die Angreifer nicht identifiziert, aber wir glauben, dass sie bei uns Komplizen hatten“, sagte Kongos Kabila-treuer Innenminister Theophile Mbemba. Am Samstag hatten Kabila-treue Medien berichtet, die an der Allparteienregierung beteiligten Rebellen des Kongo planten einen Umsturz in Kinshasa spätestens Ende März. Dabei solle Kabila ins Exil gezwungen werden und die Rebellenführer Azarias Ruberwa und Jean-Pierre Bemba, derzeit Vizepräsidenten unter Kabila, würden dann eine Nationalkonferenz einberufen, um eine neue politische Ordnung für Kongo zu diskutieren und sich selbst die Macht zu geben. Da wie durch ein Wunder der Putschversuch nun angeblich sofort erfolgte und problemlos niedergeschlagen wurde, halten unabhängige Beobachter in Kinshasa das Ganze für eine Inszenierung, mit der der Präsident Stärke beweisen und seine Rivalen in der Regierung klein halten wolle.

Der britische Botschafter in Kinshasa, Jim Atkinson, erklärte überdies, die ersten Raketen bei den Kämpfen in der Nacht zum Sonntag seien vom Gelände des Präsidentenpalastes selbst gekommen. Dort wohnt Abdoulaye Yerodia, einer der vier Vizepräsidenten des Kongo und höchstrangiger Vertreter der Kabila-Hardliner in der Regierung, denen das gemeinsame Regieren mit den Rebellen ohnehin nicht gefällt und die sich eher gegenüber dem 2001 verstorbenen Laurent-Desire Kabila loyal fühlen als seinem heute regierenden Sohn. DOMINIC JOHNSON