: Leichter Sieg für Kongos neue Rebellion
Meuternde Banyamulenge-Soldaten im Osten des Kongo nehmen die Metropole Bukavu kampflos ein. Die UN-Blauhelme in der Stadt, die letzte Woche noch die Rebellen bekämpften, halten sich nun zurück und setzen auf politische Verhandlungen
VON DOMINIC JOHNSON
Die neuen Rebellen im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben die Stadt Bukavu eingenommen. Die 500.000 Einwohner zählende Hauptstadt der Provinz Südkivu fiel gestern im Morgengrauen kampflos an eine Koalition zweier Milizen unter Kommando zweier abtrünniger ruandischstämmiger Generäle, die sich seit einer Woche im Aufstand gegen die lokalen Vertreter der Allparteienregierung des Kongo befinden. „Es war für sie ein Kinderspiel“, berichtet ein ausländischer Diplomat. Der von Kongos Regierung berufene Militärkommandant von Bukavu, Mbuza Mabe, versteckte sich nach UN-Angaben im Westen der Stadt. Die meisten seiner Soldaten waren schon zuvor geflohen oder übergelaufen.
Am Dienstagabend waren Verhandlungen zwischen der UN-Mission im Kongo (Monuc) und den Rebellenführern Jules Mutebuzi und Laurent Nkunda zusammengebrochen. Die beiden forderten nach Angaben aus UN-Kreisen, von Kongos Präsident Joseph Kabila als Gesprächspartner anerkannt zu werden, um ihn dazu zu drängen, Ausschreitungen gegen die ruandischstämmige Minderheit der Banyamulenge-Tutsi zu beenden. Außerdem wollen sie Führungsposten in der Armee.
Die Monuc, die in Bukavu 3.500 Blauhelmsoldaten stationiert hält, wurde vom Vorstoß der Rebellen offenbar überrascht. Sie hatte Banyamulenge-Führer Mutebuzi erst Ende letzter Woche überredet, seine meuternden Truppen zurückzuziehen und Gespräche zwischen ihm und Vertretern der Regierung eingefädelt. Seitdem konzentrierten sich die UN-Blauhelme auf die Verteidigung des Flughafens der Stadt gegen die andere Rebelleneinheit unter Laurent Nkunda. Als am Dienstagabend die Verhandlungen in Bukavu scheiterten und Mutebuzis Truppen ihre Kasernen wieder verließen, reagierten die Blauhelme nicht. „Sie haben ihn gewähren lassen oder wurden überrumpelt“, ist die Meinung eines ausländischen Beobachters.
Gestern beschränkten sich die UN-Blauhelme in Bukavu, die noch am Freitag die Rebellen aus Hubschraubern beschossen hatten, auf Patrouillen sowie die Überwachung der am östlichen Stadtrand verlaufenden Grenze zu Ruanda. Die Zivilbevölkerung blieb größtenteils zu Hause, verunsichert über Kämpfe am Westrand der Stadt. Vereinzelt wurden Plünderungen gemeldet. Fast alle weißen Ausländer haben die Stadt verlassen. Die deutsch geführte Medikamentenfabrik „Pharmakina“ stellte ihre Produktion bereits am Donnerstag ein. „Wir haben Sicherheitsleute, die unsere Anlagen bewachen“, sagt Pharmakina-Mitarbeiter Dirk Gebbers. Auch die Banyamulenge-Militärs hätten zugesagt, die Fabrik vor Plünderungen schützen zu wollen.
Ein Mobilisierungsfaktor für die Rebellen war, dass die regierungstreuen Soldaten nach Ausbruch der ersten Kämpfe vor einer Woche gezielt gegen Banyamulenge in Bukavu vorgingen. „Sie gingen in die Häuser und schossen auf die Leute“, sagt Tharcisse Kayira, ehemaliger Mitarbeiter eines US-Hilfswerks in Bukavu, der mit 3.000 weiteren Banyamulenge nach Ruanda geflohen ist. „Das erlaubte den Rebellen, sich als Retter der Banyamulenge zu präsentieren.“
Ob mit dem Fall Bukavus der neue Krieg im Ostkongo jetzt beendet ist oder erst richtig losgeht, hängt nach Kayiras Meinung vom Verhandlungswillen der neuen Herren der Stadt ab. „Wenn sie die Allparteienregierung des Kongo nicht anerkennen und die Regierung ihnen den Krieg erklärt, gibt es eine Eskalation“, meint er. Die Verhandlungsvariante erscheint derzeit als die wahrscheinlichere. Auch die UNO denkt offenbar nicht an einen Militärschlag gegen die Rebellen. Stattdessen will William Swing, Leiter der UN-Mission, zu Gesprächen nach Bukavu reisen.