„Als ich ging, hat er noch gelebt“

Wegen Totschlags muss sich ein 35-jähriger Bremer vor dem Landgericht verantworten. Er soll im Streit um einen Hund seinen Nachbarn erschlagen haben. Das Würgen und die brutalen Schläge, die zum Tod geführt haben, bestreitet er nicht

BREMEN taz ■ Der Angeklagte wollte oder konnte es nicht sagen. Dass er seinen Nachbarn getötet hat. Im Streit. Dieses Geständnis gab es gestern von dem wegen Totschlags vor dem Bremer Landgericht Angeklagten nicht. Nur soviel: „Als ich ihn verließ, hat er jedenfalls noch gelebt und gerufen: warum hörst du denn auf?“ Die brutalen Schläge aber, die letztendlich zum Tod führten, gibt der 35-Jährige offen zu. „Wissen Sie“, sagt er in Richtung des vorsitzenden Richters, „ich kann mich kaum mehr erinnern, was an dem Abend passiert ist.“ Er sei ausgerastet und wollte danach „einfach weg“, „einen kiffen, meine Ruhe haben“. Für ihn sei das nichts Besonderes: „Immer wenn ich sauer war, habe ich Leute gewürgt.“ In mehr als zehn Fällen wurde er wegen Körperverletzung bereits verurteilt. Meist auf Bewährung.

Wegen der letzten – tödlichen – Attacke in Bremen Nord im Februar sitzt er in Untersuchungshaft. Beim Erinnern hilft der Rechtsmediziner nach: Er spricht von „ganz massiver, stumpfer Gewalteinwirkung“, von nicht zu zählenden Hämatomen, inneren Verletzungen im Kopf- und Bauchbereich, Brustbein- und Rippenfrakturen sowie von Würgespuren. Sprechen hätte das Opfer sicher nicht mehr können.

Der Angeklagte schildert die Vorgeschichte: Dass er sich als Sozialhilfeempfänger zwei Hunde nicht mehr habe leisten können und deshalb den einen seinem Nachbarn gegeben habe. Die Abmachung sei gewesen: Der Nachbar pflegt und füttert den Hund, er selbst wollte weiterhin die Tierarztkosten zahlen. Obwohl das Tier große Metastasen gehabt habe, sei der Bekannte aber nie zum Arzt gegangen. Zudem habe er das Essen, das ein anderer Hausbewohner für den Hund zubereitete, selbst gegessen, erzählt der Angeklagte weiter. Das habe ihn geärgert, eines Abends sei er „ausgerastet“ – nach sechs Bier, sechs Kräuter-Schnäpsen und einer Wasserpfeife.

„Wissen Sie“, versucht der Angeklagte immer wieder die Distanz zwischen Anklage- und Richterbank zu schmälern, „ich habe meinen Körper nur noch reagieren sehen. Irgend etwas in mir schrie: Hör auf damit! Aber ich konnte nicht aufhören.“ Dieser Blackout zusammen mit der Aussage, bekifft und alkoholisiert gewesen zu sein, könnte ihm nun zugute kommen und das Höchststrafmaß von 15 Jahren um mehr als drei Jahre verringern. Ihm helfen könnte da auch eine Antwort des Rechtsmediziners. Der erklärte auf Anfrage des Richters, dass die gemeinsame Einnahme von Alkohol und Haschisch zu „unvorhergesehenen Reaktionen“ führen könne, die schwer einzuschätzen seien.

Allerdings lässt sich das nur schwer beweisen, da er die Polizei erst am Morgen nach seinem Ausrasten gerufen hatte. In seinem Blut konnte zu dem Zeitpunkt kein Alkoholkonsum mehr festgestellt werden. Und auch von vier Hausbewohnern, die als Zeugen geladen worden waren, erschien nur einer, der bestätigen konnte, dass sie am Abend der Tat „etwas“ zusammen getrunken hätten. Ein Urteil wird für nächste Woche erwartet.Imke Schridde