: Grüne: Auch Kliniken, BVG und BSR verkaufen
Fraktionschef Ratzmann will über politische Leitplanken sicherstellen, dass die Daseinsvorsorge auch ohne Landesfirmen klappt. Rot-Rot sieht die Grünen auf FDP-Kurs und lehnt wie die CDU Verkäufe in diesem Bereich ab
Der landeseigene Krankenhauskonzern Vivantes? Verkaufen. Müllabfuhr und Straßenfegen der BSR? Verkaufen. Die BVG? Verkaufen. Geht es nach den Grünen im Abgeordnetenhaus, so gibt Berlin nicht nur Messe oder Feuersozietät ab, sondern zieht sich langfristig auch aus der sensibleren Daseinsvorsorge komplett zurück. „Kontrolliert raus“, nennt das Fraktionschef Volker Ratzmann, ohne sich auf einen Zeitpunkt festzulegen. „Wir als Politiker müssen die Leitplanken setzen, dass das gemeinwohlorientiert und sozial verträglich geschieht.“ Bei SPD, CDU und PDS stößt der Kurs auf Ablehnung, die FDP, inhaltlich auf gleicher Linie, sieht nur ein Lippenbekenntnis.
Ratzmann wehrte sich gegen die Annahme, dass ein Unternehmen in öffentlicher Hand besser kontrollierbar sei als in privater: „Die Bankgesellschaft ist doch das beste Beispiel, wie das in die Hose gehen kann.“ Allein dort, wo es natürliche Monopole gebe, wie bei den Wasserbetrieben, soll das Land weiter direkt das Sagen haben, außerdem an seinen Kultur- und Forschungseinrichtungen festhalten. Der Rest der über 300 Landesbeteiligungen aber soll weg.
Für den Klinikkonzern Vivantes sieht die grüne Gesundheitsexpertin Elfi Jantzen zwar die Gefahr, „dass Private sich die Sahnestückchen rausholen“. Dass Berlin ohne landeseigene Krankenhäuser nicht mehr ausreichend versorgt wäre, sei hingegen anders als in Flächenstaaten nicht zu befürchten.
In einer Übergangszeit bis zum Verkauf fordert die Grünen-Fraktion bessere Kontrolle. Diesen Job will sie auslagern – weder Finanz- noch Wirtschaftsverwaltung des Senats hätten dazu das nötige Know-how. Ratzmann: „Die können es nicht.“
Bei der SPD sieht Fraktionschef Michael Müller die Grünen auf Kurs Richtung FDP. In seiner Fraktion sei man eher überzeugt, dass das Land beim Nahverkehr, der Stadtreinigung und vor allem den Krankenhäusern die Hand drauf halten sollte. Wenig verspricht sich Müller von der von Ratzmann propagierten politischen Steuerung: „Je enger ich das Korsett für einen Investor knüpfe, desto weniger bekomme ich doch als Kaufpreis.“ Für einen erwünschten guten Preis aber befürchtet Müller Zugeständnisse, die nur noch wenig Einfluss zulassen.
Müller zeigte sich auch skeptisch gegenüber vermeintlich langfristigen Verträgen und erinnerte an den Verkauf landeseigener Bewag-Anteile 1997: Das US-Unternehmen Southern Energy als damaliger Käufer hat sich längst von dem Stromversorger verabschiedet. Das sei zwar in diesem Fall nicht problematisch geworden. „Aber ist es wirklich genauso unproblematisch im Gesundheitsbereich?“
Diese Sicht teilt man in der anderen großen Volkspartei. Ihm müsse erst mal einer vorrechnen, dass Land und Bürger sich durch einen Verkauf tatsächlich besser stehen würden, sagte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer. Vor allem einen Verkauf von Vivantes lehnt er ab.
Beim SPD-Koalitionspartner PDS macht Wirtschaftsexperte Benjamin Hoff bei den Grünen „den klassischen Fall eines verzweifelten Neoliberalen“ aus. In seiner Fraktion setzt man vorerst darauf, die Unternehmen für den Wettbewerb mit privaten Unternehmen fit zu machen. Es gebe aber auch in seiner Fraktion Stimmen, die einen Verkauf der BSR befürworten.
Bei der FDP wiederum mag man die Grünen nicht auf Augenhöhe sehen. Die Liberalen wollen zwar in gleicher Weise BSR, BVG und Vivantes verkaufen. Fraktionschef Martin Lindner traut aber den Ankündigungen Ratzmanns nicht: „Immer, wenn wir etwas in der Richtung vorgebracht haben, ging es plötzlich aus irgendeinem Grund nicht – und wir wurden als Privatisierungsteufel hingestellt.“
STEFAN ALBERTI