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Kopfgelder im Darknet ausgesetztFestnahme wegen Mordaufrufen gegen Politiker

Ein Dortmunder soll im Darknet zu Spenden für Politikermorde aufgerufen haben. Er fiel schon bei Coronaprotesten auf. Nun wurde er festgenommen.

Die Bundesanwaltschaft zog den Fall an sich: Sie ließ Martin S. am Montagabend festnehmen Foto: Christoph Schmidt/dpa

Mit Spezialkräften wurde Martin S. am Montagabend in Dortmund festgenommen, im Auftrag der Bundesanwaltschaft. Der Vorwurf: Der 49-Jährige soll auf einer von ihm betriebenen Darknetplattform namens „Assassination Politics“ Gelder für Mordanschläge auf Politiker*innen gesammelt haben – darunter die früheren Regierungschef*innen Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD).

Der Vorwurf gegen den deutsch-polnischen Softwareentwickler lautet auf Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten und Terrorismusfinanzierung. Seit Juni waren Martin S. und die anonym betriebene Plattform im Visier der Sicherheitsbehörden, zuerst offenbar vom Bundesamt für Verfassungsschutz. In der Folge gelang die Identifizierung des Dortmunders.

Auf der Plattform soll S. zu Anschlägen auf führende Politiker*innen und Prominente aufgerufen haben, teils auch mit Angabe privater Daten. Nach taz-Informationen waren dort mehr als 20 Personen aufgelistet, von denen etliche offenbar wegen ihrer Rolle in der Coronapolitik ausgewählt wurden. Gesammelt werden sollten dazu Spenden in einer Kryptowährung, die als „Kopfgeld“ für die Tötung der Personen ausgelobt werden sollten.

Ob tatsächlich Gelder flossen, wird derzeit noch ermittelt. Die Bundesanwaltschaft hielt aber allein schon die Aufrufe für so schwerwiegend, dass sie den Fall übernahm. Zudem sollen auf der Plattform auch Bau-Anleitungen für Sprengsätze veröffentlicht gewesen sein.

Schon bei Coronaprotesten auffällig

Nach taz-Informationen fiel Martin S. bereits 2019 öffentlich auf, als er in Dortmund bei einer Veranstaltung vom DGB und attac zur Nahostpolitik als Zuhörer ans Mikro trat und erklärte, er sei Antisemit. Damalige Teilnehmende bestätigten dies der taz. Ab 2020 soll Martin S. dann bei Coronaprotesten aufgetaucht sein, auch mit Straftaten. Auch Veranstaltungen der rechtsextremen Partei „Die Heimat“, einst NPD, soll er besucht haben. Ein lokaler Parteivertreter bestritt gegenüber der taz, dass Martin S. eine Verbindung zur Partei hatte oder dort Mitglied war.

Ein Foto zeigt S. indes bei einem Szeneaufmarsch 2021 in Dortmund in Gedenken an die verstorbene Neonazigröße Siegfried Borchardt, alias "SS Siggi". Auf einem anderen Bild ist er im Februar 2022 bei einem rechtsextremen Aufzug in Dresden zu sehen. In Online-Postings wetterte Martin S. gegen die Coronapolitik oder gegen die Grünen.

In Dortmund lebte Martin S. zuletzt mit seiner Frau und Kindern in der Nordstadt. Am Wohnhaus waren am Dienstag noch Spuren vom Polizeieinsatz rund um die Festnahme zu sehen: Fenster waren kaputt, eine Tür neu eingesetzt. In seiner Nachbarschaft hieß es, dass S. seit 2018 dort wohnte, zuvor soll er in Braunschweig gelebt haben. "Der war immer schon etwas komisch", sagte eine Frau der taz. Sie habe auch den Eindruck gehabt, dass er ausländerfeindlich gewesen sei. Noch am Dienstag wurde Martin S. einem Haftrichter vorgeführt, der einen Haftbefehl gegen ihn in Vollzug setzte.

Vorbild für die Plattform könnte ein Essay des US-amerikanischen Crypto-Anarchisten James Bell sein, der Mitte der neunziger Jahre in einem Essay die Idee von Politikermorden postulierte, die anonym im Internet gesponsert würden. Bell musste deshalb und wegen anderer Straftaten später eine Haftstrafe verbüßen.

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