: Wo gesungen wird …
Wie Milliardär Klaus-Michael Kühne seiner Heimatstadt Hamburg ein Geschenk gemacht hat, das diese kaum ablehnen kann. Ein Opernhaus „von Weltrang“ soll entstehen
Von Daniel Wiese
Weihnachten war schon ein paar Wochen her, aber es fühlte sich genauso an, als Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher und sein Kultursenator Carsten Brosda (beide SPD) die frohe Botschaft verkündeten. Hamburg bekommt ein Geschenk, ein riesengroßes sogar: ein „Opernhaus von Weltrang“, so der Bürgermeister bei einer extra einberufenen Pressekonferenz im historischen Rathaus.
Seliges Hamburg! Während woanders Pläne am Geld scheitern, München um eine neue Konzerthalle ringt, Stuttgart die Sanierung seiner schönen alten Oper im Schlosspark vor sich herschiebt, wird in der Hansestadt hinter den Kulissen verhandelt, und plötzlich steht ein Deal, der fast zu schön ist, um wahr zu sein.
Nicht mehr als 147,5 Millionen Euro muss die Stadt Hamburg selbst aufbringen für die Erschließung des Grundstücks in der Hafencity, auf dem die Oper stehen soll – nicht ganz einfach, wegen des an dieser Stelle nötigen Hochwasserschutzes, aber machbar. Den großen Rest, die Kosten für Planung und Bau der neuen Oper inklusive der Kostensteigerung, übernimmt die Stiftung des Milliardärs Klaus-Michael Kühne, so steht es im Vertrag. 300 Millionen Euro geisterten als Zahl durch die Presse, dann 330 Millionen oder auch 500 Millionen. Irgendwann hieß es, die Kosten sollten unter einer Milliarde bleiben.
Im Vertrag steht gar keine Zahl, Kühne muss vor Baubeginn alles absegnen, dann sieht man. Absegnen muss er auch den architektonischen Entwurf – gegen ihn läuft da nichts. Angeblich hat sich der Mäzen zusammen mit dem Kultursenator schon mal die Oper in Oslo angeschaut, die einem schwimmenden Eisberg nachempfunden ist.
Klaus-Michael Kühne, Alleinerbe der Speditionsfirma Kühne+Nagel, die er zu einem weltweit operierenden Logistikkonzern ausgebaut hat, ist seit vielen Jahren in der Schweiz gemeldet, auch die Firmenzentrale befindet sich dort. Geboren jedoch ist er 1937 in Hamburg, das er als seine Heimatstadt betrachtet. In Hamburg baute er ein Luxushotel an der Alster, finanziert eine private Uni, trat als Mäzen des Fußballclubs HSV in Erscheinung und rettete 2008 durch seinen Einstieg die Reederei Hapag-Lloyd vor einer chinesischen Übernahme. Der Lohn dafür waren allein im Jahr 2023 mehr als 3 Milliarden Euro Dividende.
Schon seit zwei, drei Jahren gibt es Gerüchte, dass Kühne in Hamburg eine neue Oper bauen will. Zunächst war als Mitmäzen oder Mitinvestor der inzwischen Pleite gegangene Immobilienspekulant René Benko dabei, an dessen Wirken in Hamburg der halbfertige Elbtower erinnert. Der Elbtower steht an dem einen, unfertigen Ende der Hafencity. Am anderen Ende steht die Elbphilharmonie, als Wahrzeichen dafür, dass ein gewagtes Projekt auch gut werden kann, wenn man sich traut, mehr Geld in die Hand zu nehmen, als man eigentlich vorhatte.
Die Kühne-Oper stünde genau dazwischen. Allerdings gab es, anders als bei der Elbphilharmonie, nie eine öffentliche Diskussion, ob die Stadt überhaupt eine neue Oper braucht. Die bisherige Oper, ein denkmalgeschützter Bau aus den 50er Jahren, ist stark sanierungsbedürftig, die Bühnenmaschinerie macht es nicht mehr lange, aber sie steht mitten in der Innenstadt, an einem historischen Ort, dem Gänsemarkt.
Andererseits: Ausziehen müsste die Oper sowieso, wenn sie saniert würde, warum also nicht gleich ein neues Opernhaus bauen? Wenn man es schon geschenkt bekommt. Bei der Oper selbst jedenfalls ist man von dieser Aussicht begeistert, und unter Opernkritikern wird die Hoffnung geäußert, dass mit dem neuen Haus auch neuer Schwung in den Opernbetrieb kommt.
Bleibt als Problem: Klaus-Michael Kühne selbst. Seit Jahren verweigert sich der Unternehmer, der auf der Forbes-Reichenliste mit einem Vermögen von 39,2 Milliarden Euro geführt wird, einer Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner Firma. In der Nazizeit wurde die Spedition Kühne+Nagel groß, indem sie das Eigentum deportierter Juden aus Frankreich, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ins Deutsche Reich transportierte. Die Veröffentlichung einer von ihm selbst in Auftrag gegebenen Studie, für die er Einblicke ins Firmenarchiv gewährte, soll er 2015 mit den Worten abgelehnt haben: „Mein Vater war kein Nazi.“ Die Studie ist seither unter Verschluss.
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