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Feuer als Chance

Brandenburg ist das Land mit den meisten Waldbränden. Wie ein feuerfester Wald aussehen könnte, hat das Projekt „Pyrophob“ untersucht. Die Ergebnisse überraschen

Florent Jouy beim Messen der Bodentemperaturen in der Jüterboger Mikadolandschaft Foto: Uwe Rada

Von Uwe Rada

Es ist eine für das Auge ungewöhnliche Mikadolandschaft. Bei Jüterbog im Süden Berlins, wo 2019 auf einer Fläche von 744 Hektar Brandenburgs bis dahin größter Waldbrand gewütet hatte, liegen die toten Kiefern kreuz und quer, nur wenige halten sich noch aufrecht. Zwischen den Stämmen lugen vereinzelt kleine Zitterpappeln hervor. Sind sie die Vorboten eines neuen Waldes? Eines Waldes, der künftig dem Feuer trotzen kann?

Brandenburg ist nicht nur das Land des Braunkohlebergbaus und seiner Tagebaufolgelandschaften. Es bringt auch immer mehr „Waldbrandfolgelandschaften“ wie die bei Jüterbog hervor. Nirgendwo brennt es häufiger in Deutschland als in der Mark. Als Grund nennt Pierre Ibisch eine „Kieferndominanz“ von 70 Prozent. Auch das Feuer bei Jüterbog brannte 2019 keinen Wald nieder, sondern eine monotone Kiefernplantage.

Ibisch ist Professor für Sozialökologie der Waldökosysteme an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und hat nach dem Brand bei Jüterbog ein Projekt mit dem Titel „Pyrophob“ angeschoben. „Wir wollten die Katastrophe nutzen, um zu verstehen, wie die Ökosysteme auf solche Brände reagieren“, sagte Ibisch am Donnerstag bei der Abschlussveranstaltung des Projekts in der Brandenburgischen Landesvertretung in Berlin.

Bei Pyrophob ist der Name Programm. Wie entsteht ein resilienter Wald, der nicht nur dem Klimawandel trotzt, sondern auch dem Feuer? Denn je höher die Temperaturen steigen, desto größer wird die Gefahr neuer, rekordverdächtiger Brände.

Die ungewöhnliche Mikadolandschaft in Jüterbog ist eine mögliche Antwort auf diese Frage. Weil der größte Teil der Flächen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz keinem Privatbesitzer gehört, sondern der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, ließ man das Totholz stehen und begann zu erforschen, wie lange es braucht, bis dort durch natürliche Sukzession neuer Wald entsteht.

„Wir haben die Chance genutzt, die Folgewirkung des Feuers im Detail zu untersuchen“, sagt Andreas Meißner, geschäftsführender Vorstand der Stiftung. Mitarbeitende von sieben Projektpartnern des vom Bundeslandwirtschaftsministerium finanzierten Projektes schwärmten in den vergangenen fünf Jahren aus, um das Bodenleben zu untersuchen, Bodentemperaturen zu messen, Flora und Vegetationsstruktur zu kartieren und, vor allem zu sehen, welche Baumarten sich neben den Zitterpappeln ansiedeln.

„Wir sind nicht überrascht, dass die Natur nicht nur mit Kiefern, sondern auch mit Laubbäumen zurückkommt“, sagt Andreas Meißner zufrieden. Denn Laubbäume wirken brandhemmend. Trockene Kiefern dagegen sind regelrechte Brandbeschleuniger.

Nun gehört nicht jede Waldbrandfläche einer Stiftung wie die Stiftung Naturlandschaften. Auch private Eigentümer sind von Bränden betroffen, und nicht wenige von ihnen wollen so schnell wie möglich aufforsten. Doch das ist gar nicht so einfach. „Wenn das Totholz abgeräumt wird und sich der Boden aufheizt, kann es auch passieren, dass die Aufforstung scheitert“, sagt Roland Pietsch auf der Abschlussdiskussion des Projekts. Als Leiter des Nationalparks Harz hat er es nicht in erster Linie mit Brandflächen zu tun, sondern vor allem mit Fichtenplantagen, die dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind.

Das Projekt Pyrophob hat auf diese unterschiedlichen Ausgangslagen reagiert und neben der Brandfläche bei Jüterbog auch eine Fläche in Treuenbrietzen untersucht, wo 2018 400 Hektar Kiefernforst gebrannt hatten. Anders als bei Jüterbog wurden dort die abgebrannten Stämme nicht liegen gelassen, sondern weggeräumt. Die Arbeitshypothese: Dort, wo das Totholz liegen bleibt, sind die Voraussetzungen für eine Wiederbewaldung besser. Der Boden ist kühler, nährstoffreicher als auf einer kahlen Fläche.

Es kam anders als erwartet

Doch so einfach ist das nicht, mussten Pierre Ibisch und Andreas Meißner in den vergangenen fünf Jahren feststellen. Zwischen den toten Stämmen der Mikadolandschaft in Jüterbog tut sich der Jungwald schwer. Bereits im Sommer 2023 hatte Florent Jouy von der Eberswalder Hochschule 43,9 Grad in einer Bodentiefe von 5 Zentimetern gemessen. „Bei über 40 Grad lebt da nichts mehr, da ist der Boden tot“, hatte Jouy erklärt und einen düsteren Blick in die Zukunft geworfen. „Es kann auch sein, dass hier kein neuer Wald entsteht. Vielleicht sieht es in zehn Jahren eher aus wie eine Savanne.“

Fast zwei Jahre später ist Andreas Meißner nicht ganz so pessimistisch. „Zu den Pappeln sind inzwischen auch in Jüterbog Birken dazugekommen“, sagt er bei der Abschlussveranstaltung von Pyrophob. „Das ist eine Vielfalt, wie wir sie uns wünschen. Und vielleicht kommen in Zukunft auch noch Eichen dazu.“

Eichen wären die Königsklasse eines pyrophoben Waldes. „Es gibt hier einen Kilometer weiter zwei große Eichen“, hatte Florent Jouy 2023 gesagt, als er die Bodentemperaturen in Jüterbog gemessen hatte. „Die stehen noch immer. Die haben sogar den Brand von 2019 überlebt.“

Doch bis der abgebrannte Kiefernforst einem Mischwald aus Pappeln, Birken und Eichen gewichen ist, wird es noch Jahre und Jahrzehnte dauern. „Die Vielfalt, die wir uns wünschen“, sagt Meißner, „braucht Zeit.“

Deutlich schneller als in Jüterbog verjüngte sich die Natur auf den Flächen in Treuenbrietzen, auf denen das Totholz beräumt worden war. Trotz des fehlenden Schutzes vor der Sonne wuchsen die Pappeln wider Erwarten hurtig in die Höhe. „Die natürliche Sukzession kann sehr unterschiedlich ausfallen“, versucht sich Pierre Ibisch an einer Erklärung. Soll heißen, die „forstliche Behandlung“, wie er es nennt, spielt nicht unbedingt die entscheidende Rolle.

Brandenburger Wildnisstiftung

Dort, wo nach dem Brand ein neuer, feuerfester Wald wachsen soll, befand sich von 1864 bis 1992 der Truppenübungsplatz Jüterbog-West. Weil eine Beräumung der Munition zu teuer gewesen wäre, übernahm nach der Wende die Stiftung Naturlandschaften Brandenburg die Fläche. Mit 5.580 Hektar ist sie die größte unzerschnittene Fläche der Stiftung.

Zur Stiftung Naturlandschaften, Brandenburgs Wildnisstiftung, gehört auch ein Teil der Lieberoser Heide. Dort soll ebenfalls die Natur übernehmen. Naturwelten heißt das Projekt. Die verschiedenen Stadien der natürlichen Sukzession lassen sich am Sukzessionspfad an der B 168 südlich von Lieberose beobachten.

Auch in Jüterbog ist Tourismus erwünscht. Es gibt 40 Kilometer Wanderwege und einen Regionalbahnanschluss. Abseits der Wege ist aber das Betreten untersagt. Es herrscht nicht nur Brand-, sondern auch Explosionsgefahr. (wera)

Die Arbeitshypothese hat sich also zunächst nicht bestätigt. Ein Grund dafür können die Temperaturen sein. „In Jüterbog ist die Fläche drei Grad wärmer als in Treuenbrietzen“, sagt Ibisch und nennt mehr Offenland und Sandflächen als Grund.

Eine weitere mögliche Ursache für das verhaltene Wachstum des neuen Waldes in Jüterbog könnte die anhaltende Hitze gewesen sein. Was nach dem Brand von 2018 hochkam, hatte demnach bessere Startvoraussetzungen als die Fläche in Jüterbog, die einen Hitzesommer später gebrannt hatte.

Gerne hätten die Hochschule in Eberswalde, die Stiftung Naturlandschaften und ihre Partner noch weiter zum Thema feuerresistenter Wald geforscht. Allerdings wechselte der Wald in Treuenbrietzen 2022 den Besitzer. Die Stadt verkaufte ihn an die private Muhrsche Forstverwaltung. Deren Geschäftsführer Thomas Muhr leitet ein Unternehmen aus der Autozulieferbranche mit 14.000 Mitarbeitern. Kurz darauf kündigte der private Waldbesitzer die Zusammenarbeit mit Pyrophob auf.

Als ob das für das Projekt nicht schlimm genug gewesen wäre, gab es 2022 einen weiteren Waldbrand. Der brannte ausgerechnet jene Flächen nieder, auf denen die Pappeln, trotz der Bodenberäumung, schon eine beträchtliche Höhe erreicht hatten. Seitdem fehlten Pyrophob die unmittelbaren Vergleichsflächen.

Den jüngsten Rückschlag verkündete Pierre Ibisch am Donnerstag. „Ein weiterer privater Eigentümer hat auf seiner Fläche die Pappeln, die bereits fünf Meter hoch waren, fällen lassen und will nun aufforsten.“ Dass das auch noch als Klimaschutzmaßnahme anerkannt werden soll, ist für Ibisch ein Skandal. „Das ist kein Klimaschutz, das ist Greenwashing.“

Für Pierre Ibisch ist die Aussicht auf schnellen Gewinn auch ein Hinweis darauf, dass die Auswirkungen der Klimakrise unterschätzt werden. Denn das schnell wachsende Kiefernholz kann nur dann zu Geld gemacht werden, wenn es nicht wieder brennt. Um das Risiko zu minimieren, wäre ein Mischwald sicher hilfreicher als die erneute Aufforstung mit Kiefernforsten.

„Die Vielfalt braucht Zeit“

Andreas Meißner, Wildnisstiftung

Auf der Abschlussdiskussion war dies auch einem privaten Waldbesitzer bewusst. Er forderte von der Politik mehr Fördermittel für den Waldumbau. Und auch dafür, nach „Kalamitäten“ wie Käferfraß, Stürmen oder Bränden, einen Teil der Flächen sich selbst zu überlassen.

Pierre Ibisch wiederum verlangte, die Waldbesitzer im Brandfall an den Kosten zu beteiligen. Es war ein Plädoyer dafür, dass auch in der Forstwirtschaft endlich Schluss sein müsse, dass Gewinne privatisiert, Verluste aber sozialisiert werden. „Wir müssen endlich aufhören, in Bäumen nur Bauholz oder Brennholz zu sehen“, meint Ibisch.

Tatsächlich ist der Wald, auch wenn er noch in den Kinderschuhen steckt wie in Jüterbog, ein potentieller Alleskönner. Er bindet Kohlenstoff, kühlt die Umgebung, speichert Wasser. „Auch solche Ökosystemleistungen müssen wir in Rechnung stellen“, fordert Ibisch.

Und uns vielleicht auch an Bilder wie die einer Brandenburger Mikadolandschaft gewöhnen.

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