Zwischen Krieg und Waffenruhe: Drei Szenarien für Geiseln und Gaza
Israel und die Hamas wollen sich weiter an Phase eins der Waffenruhe halten und vier tote Geiseln gegen etwa 600 palästinensische Gefangene tauschen. Und dann?
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Ein Übergang zu Phase zwei des Abkommens und damit auch ein endgültiges Ende des Krieges aber sind weiterhin nicht abzusehen. Am Sonntag sollen die Gespräche unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars in Kairo mit rund einem Monat Verspätung fortgesetzt werden, berichtet der katarische Sender Alaraby. Die Hamas teilte mit, bisher keinen Vorschlag für eine zweite Phase der Waffenruhe erhalten zu haben.
Drei Szenarien, wie es nun weitergehen könnte
Einmal könnte die erste Phase des Waffenstillstandes weiter verlängert werden, im Gegenzug für den Austausch weiterer Geiseln gegen Gefangene. Die Hamas dürfte ohne eine Perspektive auf ein echtes Kriegsende aber nur begrenzt weitere Geiseln freilassen – sind sie doch das einzige Druckmittel auf Israel.
Auch eine Rückkehr zum Krieg scheint möglich: Nach der Übergabe am Mittwoch sind die Vereinbarungen der ersten Phase weitgehend erfüllt. Danach habe die Hamas bis zum 8. März Zeit, weitere Geiseln freizulassen, berichtet die Times of Israel unter Berufung auf einen israelischen Vertreter. Andernfalls sehe Israel die Waffenruhe als beendet an. Auf diese Möglichkeit bereitet sich die Hamas laut einem Bericht des Wall Street Journals bereits vor: Sie ernenne neue Kommandeure, mache Einsatzpläne und gebe Anweisungen zum Guerillakampf an neue Rekruten aus.
Auch Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat ein Kriegsende bisher stets ausgeschlossen: „Wir sind jederzeit bereit für die Rückkehr zu heftigen Kämpfen“, sagte er jüngst. Er steht zum einen unter dem Druck seiner rechtsextremen Koalitionspartner, den Krieg fortzusetzen. Andererseits warnen Geiselangehörige vor einer Rückkehr zu den Kämpfen. Sie wären demnach ein Todesurteil für die möglicherweise noch lebenden Verschleppten.
US-Präsident Donald Trump, treibende Kraft hinter der Waffenruhe, sendet seit seinem Amtsantritt andere Botschaften. Er spricht sich teils entschiedener dafür aus, in Gaza „die Hölle loszulassen“, als die israelische Führung selbst. Andererseits läuft eine Fortsetzung des Krieges seinen weiteren Plänen für die Region entgegen, etwa die Ausweitung der Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Israel sowie neuerdings laut seinem Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff: Syrien und dem Libanon.
Weiter unklar: Wer soll die Kontrolle in Gaza übernehmen?
Als dritte Option könnten sich beide Parteien auf ein Ende des Krieges einigen. Dafür müsste aber entweder die Hamas ihre Waffen niederlegen und den Gazastreifen verlassen oder Israel ein Ende des Krieges akzeptieren, das eine weitere Präsenz der Islamisten duldet. Beides gilt als ausgeschlossen.
Wenig hilfreich ist auch, dass weiterhin nicht über Nachkriegspläne gesprochen wird. Oppositionsführer Jair Lapid schlug zuletzt eine ägyptische Verwaltung des Küstenstreifens vor, bis eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde übernimmt. Die israelische Regierung hat bisher nur die „Riviera-Pläne“ des US-Präsidenten Trump als Möglichkeit genannt – die aber die Vertreibung der rund zwei Millionen Bewohner von Gaza einschließen würde, und von der arabischen Welt abgelehnt wird.
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