: Protest gegen Waldrodung
Am Wochenende wurde der besetzte Freiburger Dietenbachwald geräumt. Hier sollen nun neue Wohnungen entstehen. Aktivisten kritisieren die geplante Abholzung und den Polizeieinsatz
Von Nicolai Kary und Benno Stieber
Am frühen Samstagmorgen rückte am Freiburger Langmattenwäldchen die Polizei zur Räumung an. Sie beendete eine bereits drei Jahre andauernde Besetzung und machte damit den Weg frei für die Rodung. Denn gegen den Protest von Umweltaktivisten soll hier der neue Freiburger Stadtteil Dietenbach entstehen. Elf Personen wurden wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und das Vermummungsverbot festgenommen.
Ein Sprecher von „Dieti bleibt“ kritisiert das Vorgehen der Stadt: „Die Rodung der Schneise wäre aus unserer Sicht vermeidbar gewesen.“ Es hätte Alternativen gegeben, so der Sprecher. Das Aktionsbündnis „Hände weg vom Dietenbachwald“ kritisierte: „Die Rodung ist in Zeiten eines allgemeinen Artensterbens ein Armutszeugnis für die Stadt Freiburg“, sagt Pressesprecher Christian Zissel. Durch die Rodung seien rund 21 Tierarten gefährdet.
Sophia Rudolf, Pressesprecherin der Besetzung von „DietiBleibt“, kritisiert den Polizeieinsatz. Die Räumungs- und Rodungsarbeiten hätten teils ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Menschen in den Baumhäusern stattgefunden.
Eine Person hatte sich in einem drei Meter tiefen Tunnel unter der Erde angekettet und zusätzlich einbetoniert. Der Tunnel sei wegen des anhaltenden Regens einsturzgefährdet gewesen, berichtete die Polizei dem SWR. In Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk (THW) wurde sie aus dem Erdloch befreit.
Die Rodungen waren vom Aktionsbündnis „Hände weg vom Dietenbachwald“ mit einer Klage zunächst gestoppt worden, die den Wald besetzt hatte. Das VGH Mannheim entschied im März dieses Jahres jedoch, dass die Rodungen ab Oktober weitergehen dürfen.
Es ist vermutlich das letzte Gefecht, das eine kleine Schar an Gegnern des Dietenbach-Bauprojekts gerade in Freiburg kämpft. Der letztlich unauflösliche Konflikt zwischen Wohnungsnot und Flächenverbrauch auch bei sozialen und ökologischen Bauvorhaben wird in Freiburg seit Jahren in allen Facetten ausgefochten. Schon 2019 hatten sich nach einer überwältigenden Mehrheit im Gemeinderat auch die Freiburger in einem Bürgerentscheid mit 60 Prozent klar für den Bau des neuen Viertels ausgesprochen, und das bei einer Beteiligung von 50 Prozent.
Tatsächlich soll das Quartier nahezu klimaneutral gestaltet werden, durch energieeffizientes Bauen, erneuerbare Energieversorgung und nachhaltige Mobilitätskonzepte. Dazu gehören nach den Planungen auch großzügige Grünflächen und Versickerungsflächen. Mindestens 50 Prozent der Wohnungen sollen preisgebunden sein und eine sozial wie auch sonst vielfältige Bewohnerschaft anziehen. Bis zu 16.000 Menschen sollen in 6.900 Wohnungen Platz finden.
Dafür müssen 4,4 Hektar Wald gerodet und der namensgebende Dietenbach verlegt werden. Das Viertel selbst wird auf 150 Hektar fruchtbarem Ackerland entstehen. Die Stadt führt insbesondere für die Rodung umfangreiche Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle durch.
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