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Die WahrheitDeep Black Saturday

Am Samstag ist es so weit, eine Kommunikationsära endet: Die Telefonauskunft schließt für immer ihre Hörerpforten. Diese Ansage ist kostenlos.

Für immer aufgehängt: die Telefonhörer der Auskunft Foto: dpa

Aufgeklärte Schnäppchenabgreifer und -abgreiferinnen wissen selbstverständlich, dass heute der Black Friday ist. Zu gut Deutsch: Sale! Sale! Sale!

Wer darüber hinaus noch etwas wissen will, muss sich aber ranhalten. Es geht noch schlimmer. Denn auf den Black Friday folgt „The day after“: Deep Black Saturday. Ab dann gibt es definitiv keine Antworten mehr.

Wer die Angelegenheit seriös recherchieren möchte, erhält unter der Rufnummer 11833 folgenden niederschmetternden Bescheid: „Die Telekom Deutschland wird ihren Auskunftsdienst zum 30. 11. 24 einstellen … Diese Ansage war für Sie kostenlos.“

Noch Fragen? Ja, diese: Wer hätte das gedacht? Also nicht, dass es bei der Telekom was umsonst gibt. Das ist zwar auch erstaunlich, aber das ist hier nicht gemeint, sondern, dass es überhaupt noch einen Telefon-Auskunftsdienst gibt, den man einstellen, also abschaffen kann. Den Älteren unter den Lesern flackert jetzt möglicherweise das Teelicht der Erinnerung im verschatteten Gebälk. Aber die Jüngeren wissen immer noch überhaupt nicht, worum es hier eigentlich geht.

Eins-Eins-Acht

Liebe Spätergeborene, es geht um die „Eins-Eins-Acht“. Das ist eine Telefonnummer aus einem Land vor eurer Zeit. Eine Zeit, in der man den Zeigefinger noch in nummerierte Löcher steckte, um Wählscheiben in Rotation zu versetzen, die an brotkastengroße Fernsprechapparate montiert waren, welche in samtenen Schonbezügen davor bewahrt wurden, allzu früh der Kompostierung anheimzufallen.

In einem Land – genauer: einem Westdeutschland, das sich eine das westdeutsche Fernsprechwesen verwesende Deutsche Bundespost leistete. Eine Behörde, in der weibliche Fachkräfte unter der amtlichen Berufsbezeichnung „Frollein vom Amt“ denjenigen die Gunst einer telefonischen Auskunft gewährten, die nach erfolgreicher Drehung der Zahlenkombination 118 wissen wollten, unter welcher anderen, nämlich neuen Fernsprechnummer der aus Gründen, die niemanden etwas angehen, von Wanne-Eickel nach Harsewinkel umgezogene Onkel Erich dortselbst fürderhin fernmündlich zu erreichen gewesen ist.

Verlängert um 33

Genau so ist es gewesen, wie die im späteren Verlauf von der Deutschen Telekom, sprich der privatwirtschaftlichen ­Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost, um die Ziffern 33 verlängerte Telefonauskunft 118 ab dem morgigen Black Saturday gewesen sein wird.

Der 30. November wird fortan als ein weiterer Trauertag in den an Trauertagen nicht armen November eingehen. Doch allen, die nun ob des schmerzlichen Verlustes des Trostes bedürfen, sei versichert: Die „Zeitansage“ heilt alle Wunden.

In einer Zeit, als Telefonassistentinnen noch aus Fleisch und Blut zusammengemorpht wurden, erreichte man sie unter der Nummer 119. Diese hat sich im Laufe der Epochen geringfügig geändert: 01806 10 11 91.

Wenn also irgendjemand wissen will, wie spät es genau ist, möge er oder sie nicht die fragwürdigen künstlichen ­Intelligenzbestien Alexa oder Siri fragen. Wählt einfach Elvira. Die gute alte Elvira Bader hält nämlich nach wie vor die Stellung. Wie eine Eins. Seit fast 70 Jahren sagt sie 24/7 allen, die es wissen wollen, auf die Sekunde genau, was die Uhr geschlagen hat. Gerade eben noch. Mir. Kurz vor der Niederschrift dieses letzten Satzes war es „18 Uhr, 3 Minuten und 10 Sekunden – Piep.“

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8 Kommentare

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  • Das Kommen des Schwarzen Tages ist wohl unaufhaltsam. Unerbittlich strebt die Postmoderne ihrer Vollendung entgegen. Und das, obwohl keiner scheint so recht zu wissen scheint, worin die eigentlich bestehen soll.



    Es ist jetzt, heute am 29. November des Jahres 2024 nach hiesiger Zeitrechnung 19 Uhr und 11 Minuten und - piep – die Sekunden zeigt mein altes Laptop nicht an. Das ist wieder typisch für die Postmoderne. Es gibt zwar immerzu was Neues aber andauernd fällt dabei was weg, was man hin und wieder gut gebrauchen könnte.



    Die Post-Moderne. Sie begann vor langer Zeit schon mit der Privatisierung der Deutschen Bundespost. Davor, ex ante, kamen die Briefe am frühen Vormittag eines jeden Tages. Folgerichtig kommen die Briefe jetzt, ex post, am späten Nachmittag jeden dritten Tag. Wenn sie kommen. Das heißt, ich kann in der Postmoderne z. B. den Transportvorgang eines Paketes in Echtzeit virtuell mit verfolgen. Was dann aber mit der konkret-analogen Feststellung endet, dass es bei mir nicht angekommen ist.



    Die Postmoderne. Der Weg ist das Ziel. Und keine Auskunft nirgends, warum das so sein muss, geschweige denn eine dazu, ob und gegebenen Falls was man dagegen tun könnte. PIEP

    • @Moon:

      Früher war "Die Post-Moderne" die moderne Post,



      Briefe, Päckchen, Telefon, Auskunft.



      Und alles hat gefluppt.



      Heute besinnt sie sich auf ihre alte KERNKOMPETENZ:



      P - ersonen



      O - hier



      S - innvolle



      T - ätigkeit

      • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

        Wurstfinger mit Autokorrektur:



        Personen



        OHNE



        Sinnvolle



        Tätigkeit

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Dabei wollte ich nach meinem Hauptschulabschluss tatsächlich zur Post. Hatte dort sogar schon ein Vorgespräch wg. Ausbildung...Als Schulklasse hatten wird das örtliche Postamt besucht. Den Menschen die Nachrichten aus aller Welt bringen, dachte ich....Es kam anders, wohl besser so.



          Und dann, dann kam die Postmoderne!

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          all together... auch @MOON



          Post modern? „Noch neun Zustellstopps..." PIEP.



          Fünf Minuten später: „Life-Tricking nicht verfügbar." PIEP. Oder war es Live?



          Post modern. Oder DHL?



          Auf alle Fälle: Schnell -



          ändern sich die Zeiten.



          Na na na nana (Opus)



          www.youtube.com/watch?v=pATX-lV0VFk

          • @starsheep:

            @Willi Müller alias Jupp Schmitz: all together... auch natürlich das starsheep

            Life is life Ba ba ba ba ba bada bab...

            Setzen wir den "Fräulein" vom Amt ein Denkmal.

            Anett Louisan:

            *Drück die eins*

            "Du hast dich nicht verwählt,



            Ich habe nur mein Herz mit meinem Telefon und mei'm PC vernetzt.



            Wenn du mir sagen willst,



            Dass du jetzt um mich weinst,



            Drück die Eins."

            Eine Reise wie "zurück in die Zukunft"?

            www.youtube.com/watch?v=gNB3p8OnnkU

            In der Postmoderne scheint (fast) alles möglich

  • Doch was bleibt? „Die Wahrheit" - mit der man sich die Zeit vertreibt.



    „And the operator said 40 cents more for the next three minutes"



    www.youtube.com/watch?v=7LXpnNKNxJI

  • Fein un much all sein



    Vermiß: “Fräulein Vermittlung“ - War auch fein.



    Denn wie anders traf einst - schon



    “Stöpsel-Liz“ - ihren Herrn Mohn?!



    Schmollie “Rechtspopulistinnen in Europa



    Rechts, weiblich, erfolgreich“



    All lang: Mein lieber Schollie -



    Ehr Reichsdrückerkolonnenführe - Oh mann!



    Beschiß später mit Hör-zu - jedeOma an jede🚪



    “Frisch verpackt! Von - Bertelsmann!“ Wolfgang 🚬 Neuss - Na dann •