Ungarischer Präsident ist seine Doktorwürde los

UNGARN Die Universität entzieht Pál Schmitt den Doktorhut. Damit wackelt sein Präsidentenstuhl

WIEN taz | Das Leben ist manchmal voller Ironie. Pál Schmitt nahm gerade in Seoul die Ehrendoktorwürde entgegen, als im heimatlichen Budapest der Senat der Semmelweis-Universität mit 33:4 Stimmen entschied, dem ungarischen Präsidenten den Doktorhut abzunehmen. Die Dissertation des zweimaligen Degenolympiasiegers – im Teambewerb – sei großteils abgeschrieben, befand das universitäre Gremium. Jedes andere Urteil wäre für die beteiligten Professoren blamabel gewesen. Denn seit Monaten ist erwiesen, dass die Doktorarbeit des Staatsoberhauptes in Sportwissenschaften zu etwa 80 Prozent mit einer fünf Jahre älteren bulgarischen Arbeit übereinstimmt. 17 Seiten sollen aus der Feder des deutschen Sportsoziologen Klaus Heinemann stammen. Schmitt, so das Wochenmagazin HVG zu Beginn des Jahres, habe einfach wörtlich übersetzt und einen kleinen Abschnitt von Schlussfolgerungen angehängt.

Schmitt sagte zunächst alle Termine ab. Freitagabend wollte er im Wiener Künstlerhaus einer Ausstellungseröffnung beiwohnen. Stattdessen kündigte er eine Rundfunkansprache an. Sein Rücktritt wurde allgemein erwartet. Denn Premier Viktor Orbán, der Schmitt inthronisieren ließ, weil er auch die umstrittensten Gesetze widerstandslos abnickt, ist deutlich von seinem Präsidenten abgerückt. Die seit Jahresbeginn geltende neue Verfassung regelt Rücktritt oder Absetzung des Staatschefs nicht. „Die Entscheidung über einen Rücktritt liegt allein bei ihm“, verkündete daher Orbán. Über seinen Sprecher Péter Szijjártó ging er aber auf deutliche Distanz zum Präsidenten. Orbán habe Schmitt „zwar nominiert“, sei damit aber einer „Empfehlung von Parteifreunden“ nachgekommen. RALF LEONHARD