Stark dank Sahras Strahlkraft

In Brandenburg erreicht das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ein zweistelliges Ergebnis. Eine Regierungsbeteiligung hält BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach für „relativ unwahrscheinlich“

Raus aus dem Schatten: Branden­burger BSW-Spitzenkandidat Robert Crumbach und Bundesvorsitzende Amira Mohamed Ali nach der Ergebnis­verkündung Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Aus Potsdam Daniel Bax

Zweistellig hatten die Umfragen das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ schon vorab gesehen. Mit 12 Prozent zieht es nun erstmals in den Potsdamer Landtag ein. Die Grünen und die Linkspartei, der viele BSW-Mitglieder entstammen, lässt es damit weit hinter sich. Dieses Ergebnis hat das BSW auch in Brandenburg voll und ganz der Strahlkraft der 55-jährigen Gründerin und Galionsfigur der nach ihr selbst benannten Partei zu verdanken. Wagenknecht war, wie zuvor in Sachsen und Thüringen, auch in Brandenburg wieder auf vielen Plakaten allgegenwärtig und bei den BSW-Wahlkampfveranstaltungen in vier ausgewählten Städten – in Brandenburg an der Havel, Frankfurt an der Oder, Cottbus und der Landeshauptstadt Potsdam – unbestritten der Publikumsmagnet.

Der Brandenburger BSW-Spitzenkandidat, der 61-jährige Robert Crumbach, steht klar im Schatten seiner Parteichefin. Der knorrige Arbeitsrichter war 40 Jahre lang bei der SPD, bevor er sich Wagenknecht anschloss und gleich zu deren Landeschef und -Spitzenkandidaten gekürt wurde. Die Frage, ob er nach dem guten Wahlergebnis aus ihrem Schatten heraustreten wolle, kontert er geschickt: anders als die anderen Parteien in Brandenburg habe man ein gutes Verhältnis zur eigenen Parteiführung im Bund.

Sein Sonntag sei „gut“ verlaufen, sagte Crumbach am Nachmittag auf die Frage, wie sein Wahltag war. Nachdem er in seinem Wahllokal in Potsdam seine Stimme abgab, habe er den Tag „mit Freunden“ verbracht. Am Nachmittag folgten Besprechungen mit dem Bundes- und dem Landesvorstand seiner Partei, anschließend stand die Wahlparty an. Parteichefin Sahra Wagenknecht ließ sich kurzfristig wegen Krankheit entschuldigen. Für sie sprang Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali ein. Beide blieben aber nur kurz, um dann in den Potsdamer Landtag zu gehen, wo sich bereits die Medien versammelt hatten.

Die BSW-Wahlparty findet im „Bürgerhaus Sternzeichen“ statt, einem Potsdamer Freizeittreff in einem funktionalen Flachbau, irgendwo zwischen AWO-Familientreffpunkt und Vereinshaus einer Kleingartenkolonie. Der Wahlkampf habe „Spaß gemacht“, vor allem wegen des „Kontakts mit den Menschen vor Ort“, sagt Crumbach. Erst im Mai hat sich der brandenburgische Landesverband gegründet, in der Stadt Schwedt, mit seiner Raffinerie einer der wichtigsten Industriestandorte im Land und stark vom Embargo gegen russisches Öl betroffen. Nach dem Parteitag im Juni musste das BSW noch rasch 2.000 Stimmen sammeln, damit es zur Landtagswahl antreten durfte. Doch das sei „nicht wirklich“ schwierig gewesen: In drei Wochen habe man 4.000 Unterschriften gesammelt, sagt Crumbach, und verweist auf rund 1.800 Unterstützerinnen und Unterstützer, die im Wahlkampf Plakate geklebt und Infostände organisiert hätten. Das BSW hat in Brandenburg nur rund 40 Mitglieder, fast ebenso viele traten für das Bündnis auf dessen Landesliste an. Doch „die „öffentlichkeitswirksamen Termine“ bestritt Crumbach als Spitzenkandidat weitgehend alleine – bei den Wahlkampfveranstaltungen stand er an der Seite von Wagenknecht, in den Medien war für das BSW kein anderes Gesicht zu sehen. Darum halten manche das BSW Brandenburg für eine „Blackbox“.

Die Hauptthemen im Wahlkampf seien „Frieden, Bildung, Krankenhäuser“ gewesen, sagt Crumbach. Dass das BSW nach der Wahl an einer Regierung beteiligt werden könnte, hielt er schon vorab für „relativ unwahrscheinlich“. Die SPD dürfte in Potsdam ihre Koalition mit der CDU fortführen. Ob auch mit den Grünen, war bei Redaktionsschluss noch unklar. Sollte es anders kommen, sei „ein klares Signal gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen“ eine Bedingung, um einer Regierung beizutreten, so Crumbach. Auch die Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach müsse „unbedingt verhindert“ werden – notfalls durch eine Verfassungsklage. Und: die Bildungspolitik müsse sich „grundlegend ändern“. Es dürfe nicht sein, dass Brandenburgs Schülerinnen und Schüler bei Bildungsstudien wie zuletzt auf den hinteren Plätzen landeten.

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Um die Politik zu verändern, müsse man aber nicht unbedingt an die Regierung kommen, meint Crumbach. Das könne man auch in der Opposition. „Wenn man sich ansieht, was wir jetzt schon an Positionsveränderungen der Landesregierungen in Sachsen und Brandenburg erreicht haben, dann bin ich zuversichtlich, dass uns das auch weiter gelingt“, sagt er selbstbewusst. Mit Blick auf die Ukraine und Russland hatten sich zuletzt Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Sozialdemokrat Dietmar Woidke schon für Verhandlungen und mehr Diplomatie ausgesprochen. Das Thema ist im Osten mehrheitsfähig, und in Sachsen und Thüringen verhandelt die CDU jetzt mit dem BSW über eine mögliche Koalition.

Die Grünen dagegen hatten vor der Wahl ihre Lautstärke gegenüber dem BSW aufgedreht: Ricarda Lang bezeichnete Wagenknecht als „Putins Pressesprecherin“ und Robert Habeck behauptete, sie sei vom Kreml bezahlt. Die Partei wehrt sich und hat beim Amtsgericht Dresden Klage eingereicht, um Habeck solche Äußerungen zu verbieten. Selbst „pure Existenzangst“ dürfe nicht zu solchen Diffamierungen verleiten, sagt Crumbach mit Blick auf die Lage der Grünen in Brandenburg. An Infoständen des BSW sei dieser Vorwurf jedenfalls kein Thema gewesen.