Peter Fox Blockpartys: Kiez-Kids rappen neben Peter Fox

Mit Spontankonzerten will Fox das Image von Orten verbessern, die als Problemviertel gelten. Mit ihm auf der Bühne: Künst­le­r*in­nen aus den Kiezen.

Pallasseum

Rund 2.000 Menschen aus unzähligen Nationen leben in dem Pallasseum, das quer über die Pallasstraße gebaut ist Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Schöneberg, Kreuzberg und Neukölln werden aufgewertet – und ausnahmsweise nicht in Form von gentrifizierten Neubauten. „Wir wollen Freude und Begegnung an Orten schaffen, wo es nicht immer ganz einfach ist“, ruft eine der Initiatorinnen der dritten „Blockparty“ am Sonntagabend. Die Blockparty ist Teil einer Reihe kostenloser Überraschungskonzerte von Berlins Lieblingsmusiker Peter Fox.

Rund 6.000 Menschen drängen sich an dem Spätsommerabend auf dem Hof der Sophie-Scholl-Schule am Pallasseum in Schöneberg, um den Westberliner Sänger live zu sehen. Im Innenhof der Schule tummelt sich der gesamte Kiez: im Sandkasten spielen Kids, den Basketballplatz erobern Jugendliche, Omas verkaufen Hotdogs und Waffeln.

Peter Fox geht mit den Blockpartys ganz bewusst an Orte, die als Kriminalitäts-Hotspots gelten und häufig negativ im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Anfang September spielte er im Columbiabad in Neukölln, am Samstag vor 12.000 Leuten im Görlitzer Park. Das Columbiabad steht immer wieder wegen angeblich gewaltbereiter Jugendlicher im Fokus. Um den Görlitzer Park will der Senat „für die Sicherheit“ einen Zaun bauen.

Zu der Kriminalisierung dieser Stadtteile tragen auch Medien mit ihrer Berichterstattung bei – ob wegen Silvesterausschreitungen, Angriffen auf Polizei und Rettungskräfte, Drogenhandel oder Konflikten im Freibad. „Wir überlassen Berlin nicht der Bild-Zeitung!“, ruft Peter Fox in Schöneberg.

Sozial belastete Familien im Pallasseum

Auch das Pallasseum, bekannt als Pallas oder „Sozialpalast“, galt lange Zeit als ein kriminalitätsbelasteter Ort. An die 2.000 Menschen aus unzähligen Nationen leben in dem Komplex, der quer über die Pallasstraße gebaut ist. „Hier wohnen nach wie vor sozial belastete Familien“, sagt Esther Wolffhardt vom Pestalozzi-Fröbel-Haus, Träger verschiedener Einrichtungen in Schöneberg-Nord, der taz. Die Songtexte einiger Künstler aus dem Kiez werfen ein Licht auf das Aufwachsen dort: „Schon seit klein auf sehe ich hier das ganze Elend“, singen etwa die Rapper Alpa Gun und Big Baba, denen Fox am Sonntag die Bühne für ein paar Songs überlässt, oder: „Die Kugel sie fliegt, bis wieder ein Bruder hier liegt“. Früher sei es schlimmer gewesen, sagt Big Baba der taz, „aber Schöneberg ist vor allem nachts an manchen Orten noch immer ein Brennpunkt“.

Jugendarbeit ist in Kiezen wie diesen daher essenziell. Nach den Silvesterausschreitungen 2021/22 hatten Senat, Bezirke, Polizei, Feuerwehr und Fachleute bei drei Gipfeln Maßnahmen gegen Jugendgewalt besprochen. Mehr als 70 Millionen waren für 2024/2025 dafür angekündigt worden. Bei der mobilen Jugendsozialarbeit kommt davon ein Bruchteil an.

„Von den 70 Millionen sind 2,46 Millionen in die aufsuchende Jugendsozialarbeit gegangen“, erzählt Tabea Witt von Outreach, ein Teil davon an ihren Verein. Zum Teil sei diese für die Aufstockung bereits bestehender Projekte vorgesehen, zum Teil für neue. „Damit können wir unsere Arbeit gut und effektiv aus- und aufbauen“, sagt sie. Doch Jugendsozialarbeit sei langfristige Beziehungsarbeit, und „wir sehen nicht, dass die Langfristigkeit der Projekte finanziell abgesichert ist.“

Sorge von Kürzungen im Doppelhaushalt betroffen zu sein

Auch Esther Wolffhardt vom Pestalozzi-Fröbel-Haus befürchtet, dass sie bald von Kürzungen betroffen sind. Denn es ist klar, dass die im nächsten Doppelhaushalt an allen Ecken kommen. Für dieses Jahr hätten die Finanzierung weiterhin erhalten, doch „angesichts der Inflation ist auch eine Aufrechterhaltung de facto eine Kürzung“.

In einer gutbesuchten Jugendeinrichtung in Schöneberg-Nord etwa seien die Nebenkosten so massiv angestiegen, dass sie nicht wüssten, ob sie weiterhin bestehen könne. „Es muss einen Aufwuchs geben“, fordert sie daher. Zudem müssten bestehende Projekte weiterhin unterstützt werden, anstatt neue mit einer kurzen Laufzeit aufzusetzen.

Das gilt nicht nur für Schöneberg, sondern auch für die anderen Kieze, in denen Fox die Blockpartys organisierte. Auch hier fühlt sich die Jugend nicht verstanden und von der Politik alleingelassen: „Egal wohin, du hast Ausblick auf Beton. Die wissen nix, aber reden davon“, „Politik guckt weg, doch Kids im Block fühl'n sich abgedrängt“, rappt etwa Luvre47 aus Neukölln am Sonntagabend, der auch auftreten durfte. Sein Lied ist der Soundtrack zu dem Spielfilm „Sonne und Beton“ über Kinder und Jugendliche in der Gropiusstadt.

Blockparty in Gropiusstadt musste abgesagt werden

Ursprünglich sollten alle Künst­le­r*in­nen und Nach­wuchs­künst­le­r*in­nen aus dem Pallas- und Steinmetz-Kiez sein. Doch nachdem eine weitere geplante Blockparty in der Gropiusstadt aus Sicherheitsgründen abgesagt werden musste, wie Fox’ Management der taz mitteilte, lud dieser sie ein, in Schöneberg aufzutreten. Darunter Cerin, die Fox im Ufo Jugendclub in Gropiusstadt kennenlernte und Niloufer, eine junge blinde Frau aus dem Iran, die auf Türkisch und Persisch singt.

Viele von ihnen treten am Sonntag das erste Mal vor Publikum auf. Während sie sich von Po­li­ti­ke­r*in­nen nicht gesehen fühlen, danken sie Peter Fox immer wieder dafür, ihnen eine Bühne zu bieten. „Peter Fox gibt den Menschen hier was zurück“, sagt Big Baba der taz.

Die Hälfte der 6.000 Tickets hat Fox gesichert und sie an soziale Projekte in Schöneberg-Nord verteilt, erzählt Wolffhardt. Zivilgesellschaftlich engagierte, Ehrenamtliche aus den Jugendclubs, Kids aus Familien- und Nachbarschaftszentren tummeln zeigen sich am Sonntag dankbar: „Peter Fox probiert uns Schönberg wieder schön zu machen“, sagt ein kleiner Junge mit Gucci Cap und Bauchtasche. Kinder und Jugendliche stehen auf Mülleimern und tanzen, andere haben sich vom Kleistpark aus an den Zaun gehängt – alle Augen glänzen.

Auch der Bezirksbürgermeister Jörn Oltmann (Grüne) ist begeistert: „Menschen, die für die Straße stehen und aus prekären Verhältnissen kommen, konnten auf großer Bühne zeigen, was für ein Potential in ihnen steckt“, sagt er der taz. So ein Event rufe nach Wiederholung, ist er überzeugt. „Auch um uns bewusst zu machen, wie großartig Berlin ist.“

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