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Alle feiern Habecks Rede

Vizekanzler Habeck will mit einem Video die deutsche Debatte nach dem Angriff der Hamas „entwirren“

Von Sabine am Orde

Möglicherweise guckt man am Donnerstag im Kanzleramt nicht ganz glücklich auf die Ansprache, die Vizekanzler Robert Habeck am Vorabend auf X hat hochladen lassen. Umgehend ist der Kurznachrichtendienst, der früher Twitter hieß und vor toxischen Kommentaren nur so strotzt, voll des Lobes für den Grünen. Schnell hieß es dort, eine solche Rede hätte man gern vom Bundeskanzler gehört.

Dunkles Jackett, weißes Hemd, Krawatte – ganz der Staatsmann, so steht Habeck da. Fast vier Wochen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sei die öffentliche Debatte aufgeheizt, mitunter verworren, sagt er. Und dass er dazu beitragen wolle, diese zu entwirren. Es folgt eine knapp zehnminütige Rede, die am Morgen laut X bereits 3,4 Millionen Mal angeschaut und mehre Tausend Mal geteilt worden ist.

„Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson“, dieser Satz sei nie eine Leerformel gewesen und dürfe es auch nie sein, so beginnt Habeck, und erklärt, dass „die Sicherheit Israels für uns als Staat notwendig ist“, rühre aus unserer besonderen historischen Verantwortung durch den Holocaust. Diese Verantwortung bedeute auch, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland frei und sicher leben können. Doch jetzt sei bei diesen die Angst zurück – „heute hier in Deutschland, fast 80 Jahre nach dem Holocaust“.

Während es bei rassistischen Angriffen schnell zu großen Solidaritätswellen komme, sei die Solidarität bei Israel rasch brüchig. „Dann heißt es, der Kontext sei schwierig. Kontextualisierung aber darf hier nicht zu Relativierung führen.“ Antisemitismus sei in keiner Gestalt zu tolerieren. „Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten Deutschlands ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort.“

Einige muslimische Verbände in Deutschland hätten sich klar von den Taten der Hamas und Antisemitismus distanziert. „Aber nicht alle, und manche zu zögerlich und ich finde, insgesamt zu wenige.“ Die Muslime in Deutschland hätten Anspruch auf Schutz, aber sie müssten sich klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht den eigenen Anspruch an Toleranz zu unterlaufen. „Für religiöse Intoleranz ist kein Platz in Deutschland.“

Das Verbrennen israelischer Flaggen sei eine Straftat, das Preisen der Hamas-Taten auch. Der islamistische Antisemitismus aber dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch einen in Deutschland verfestigten Antisemitismus gebe, auch wenn sich Rechtsextreme aus taktischen Gründen jetzt zurückhielten, um gegen Muslime hetzen zu können.

„Sorge macht mir aber auch der Antisemitismus in Teilen der politischen Linken, und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten.“ Antikolonialismus dürfe nicht zu Antisemitismus führen. Der Tod und das Leid, das über die Menschen im Gazastreifen komme, sei schlimm, die Menschen bräuchten Unterstützung. „Systematische Gewalt gegen Jüdinnen und Juden kann damit dennoch nicht legitimiert werden.“ Ausdrücklich lobte Habeck die Abgrenzung der deutschen Sektion von Fridays for Future von ihrer internationalen Ebene.

Für die Rede gab es Lob, selbst aus der CDU. Zum zweiten Mal seit dem 7. Oktober treffe Robert Habeck den richtigen Ton „wie kein anderer in dieser Bundesregierung“, schreibt etwa die CDU-Vizevorsitzende Karin Prien. „Ein starker, notwendiger Auftritt.“ Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach zur dpa von einem „wichtigen Beitrag in der aufgeheizten und von Falschmeldungen geprägten Diskussion“. Es gelinge Habeck, ohne Schuldzuweisung an die Verantwortung aller in Deutschland lebenden Menschen zu appellieren, sich für die Sicherheit von Jüdinnen und Juden und gegen Antisemitismus einzusetzen.