Thüringer Verhältnisse

Die AfD steigt in Brandenburg in der neuesten Umfrage auf 32 Prozent. SPD-Generalsekretär: Nicht auf „Prinzip Hoffnung“ setzen

Von Stefan Alberti
und Gareth Joswig

Der Rückhalt der AfD in Brandenburg hat Thüringer Verhältnisse angenommen. Laut der jüngsten, am Mittwochabend veröffentlichten Infratest-dimap-Umfrage im Auftrag des RBB würden 32 Prozent der Befragten für die AfD stimmen, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahl wäre. Das ist auch der Wert, auf den die Partei zuletzt in Thüringen kam, wo der Anführer des rechtsextremen „Flügels“, Björn Höcke, ihr Landesvorsitzender ist. Die nächste Landtagswahl steht in Brandenburg in rund einem Jahr an, am 22. September 2024.

Es ist das erste Mal, dass die AfD in Brandenburg über der 30-Prozent-Marke liegt. Anfang Juli waren es bei der Umfrage eines anderen Instituts 28 Prozent gewesen. Ende April, damals wie jetzt von Infratest ermittelt, kam die AfD auf 23 Prozent – so wie bei der Landtagswahl 2019. Weit dahinter liegen die Regierungsparteien der rot-schwarz-grünen Kenia-Koalition: die SPD mit 20 Prozent (im Juli bei 21), die CDU unverändert mit 18 und die Grünen, die gegenüber Juli von 9 auf 8 Prozent sanken. Die oppositionelle Linkspartei verschlechterte sich auf 8 Prozent (im Juli 10).

Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz machte am Donnerstagmorgen in einem RTL-Interview in einem für ihn typischen Reflex die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für das AfD-Hoch verantwortlich. In der Umfrage ergibt sich aber auch eine negative Wahrnehmung der Brandenburger Regierungsarbeit, an der die CDU beteiligt ist: Nur 38 Prozent gaben an, damit zufrieden zu sein, 57 Prozent hingegen äußerten sich unzufrieden. Vorrangiges Thema bei den Befragten waren Heizungsgesetz und Energiepolitik.

Von der Brandenburger SPD-Spitze als führender Regierungspartei hieß es in einer ersten Reaktion, man solle sich jetzt nicht auf das „Prinzip Hoffnung“ verlassen. „Wir müssen uns ganz konkret daranmachen zu zeigen, dass unser Land gut funktioniert, dass hier die Dinge angepackt werden“, sagte ihr Generalsekretär David Kolesnyk im RBB-Inforadio, „das erwarten die Leute und das erwarten sie zu Recht.“ Dafür sei es wichtig, noch mehr Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern zu führen, ihnen zuzuhören und herauszufinden, was sie beschäftige.

Bei der Opferperspektive Brandenburg, die sich vor Ort für Betroffene rechter Gewalt einsetzt, sind die derzeitigen Umfragewerte der AfD auch im Alltag spürbar. Anne Brügmann von der Opferperspektive sagte der taz: „Es macht natürlich etwas mit den Betroffenen, wenn sie sehen, dass so viele Menschen für eine rechtsextreme Partei stimmen würden. Das zeigt ihnen, dass viele gut finden, wenn sie bedroht und angegriffen werden.“

Rechtsextreme Forderungen der AfD wie etwa die nach „Remigration“ (sprich Deportation), bestätigten rassistische Angreifer in ihrem Handeln und könnten als Aufruf zur Gewalt verstanden werden, so Brügmann. Gleichzeitig legitimiere die AfD rechte Gewalt und Bedrohungen: „Der Cottbuser AfDler Jean-Pascal Holm hat geschrieben,Bürgerliches Engagement wirkt!', als die beiden Leh­re­r:in­nen aus Burg nach der Bedrohung durch Rechte weggezogen sind, und der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré hat den rechten Angriff auf Kreuzberger Jugendliche in Heidesee verharmlost, indem er sagte, man dürfe das nicht zu einem fremdenfeindlichen Vorfall aufbauschen.“

Vor allem die Häufigkeit von queerfeindlichen Vorfällen und Gewalt habe zugenommen – etwa bei Angriffen in Golm Anfang des Jahres und angezündeten Pride-Flaggen. Brügmann hält einen Zusammenhang mit der immensen Hetze der AfD bei diesem Thema für gut denkbar.