EU-Abgeordnete über Naturschutz: „Wolf und Weidetiere erhalten“

Naturschutz gelinge nicht mit Konzepten und Papieren. Stattdessen brauche es Pragmatismus und Engagement, sagt Maria Noichl vom Verband für Landschaftspflege.

Ein Wolf rennt

Der Wolf ist eine geschützte Tierart Foto: Panthermedia/imago

Frau Noichl, an diesem Mittwoch gründet sich der europäische Dachverband der Landschaftspflege namens Landcare Europe. Im deutschen Mitgliedsverein, dem Deutschen Verband für Landschaftspflege (DVL), sitzen sowohl Vertreter der Bauern- als auch der Naturschutzverbände. Zum Beispiel beim Thema Wolf vertreten beide völlig gegensätzliche Positionen. Wie arbeiten sie im DVL zusammen?

Maria Noichl: Mit Respekt. Wir arbeiten in dem Bewusstsein, dass beide Seiten berechtigte Standpunkte haben. Der Naturschutz beharrt zu Recht darauf, dass der Wolf eine geschützte Tierart ist. Und für Landwirtinnen und Landwirte, die Weidehaltung betreiben, ist der Wolf eine Bedrohung. Beide Seiten vertreten Positionen, die wahr und echt sind. Der DVL hat es geschafft, einen Grundkonsens zu erstellen, darauf bin ich stolz.

sitzt für die SPD im EU-Parlament. Sie ist seit vergangenem Herbst Vorsitzende des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL).

Wieso?

Es geht darum, die geschützte Tierart in Deutschland zu halten, gleichzeitig mit Rindern, Schafen und Ziegen in der Weidehaltung. Sie hält die Landschaft offen, und sie ist wichtig für Biodiversität und Tierwohl. Viele Weidetierhalter hatten es schon bislang schwer, kommt der Wolf hinzu, wird es existenzgefährdend. Wir müssen also ihre Lage generell verbessern, und wir brauchen mehr Herdenschutz. Wir wollen die Beratung stärken, mehr finanzielle Unterstützung.

Naturschutz in Deutschland läuft oft schlecht. Sehen wir da einen Machtkampf mit der Landwirtschaft, in dem der Naturschutz den Kürzeren zieht?

Die ständigen Anklagen der Naturschützer nützen gar nichts. Es gibt Probleme beim Schutz der Insekten, des Wassers, der Vögel, und ich verstehe, dass sich da auch Wut aufstaut. Aber Wut ist kein guter Ratgeber. Es braucht Geschick, um Win-Win-Situationen zu erkennen. Die gibt es dann, wenn Landwirtinnen und Landwirte mit Tätigkeiten für den Naturschutz Einkommen generieren.

Die EU fährt aber seit Jahren eine ganz andere Subventionspolitik, sie belohnt Höfe mit viel Fläche, nicht nachhaltiges Wirtschaften…

Stimmt. Im EU-Parlament stehen sich Agrar- und Umweltausschuss unversöhnlich gegenüber, das ist fast kindisch, wie dort Gegensätze aufgemacht werden. Ich selbst bin eine klare Gegnerin der Flächenförderung, wir müssen punktgenau nachhaltiges Wirtschaften fördern. Der DVL hat mit der Gemeinwohlprämie einen praxistauglichen Vorschlag unterbreitet.

Es geht aber in die andere Richtung, das Naturwiederherstellungsgesetz ist erst einmal gescheitert, Frankreichs Premierminister Macron hat gefordert, die EU brauche eine Pause in der Umweltpolitik

Damit nimmt Macron quasi eine Täter-Opfer-Umkehr vor. Die Landwirte leiden nicht unter Umweltgesetzen, sondern unter Unwettern, Dürre, Biodiversitätsverlusten – die bedrohen die Landwirtschaft. Es ist sehr ungeschickt, so zu tun, als würde eine Gesetzespause irgendeinem Landwirt ebenfalls eine Pause bei der Umstellung auf klimaneutrales Wirtschaften ermöglichen. Darum bedaure ich auch die Attacken aus den konservativen und rechten Fraktionen des EU-Parlaments gegen das EU-Renaturierungsgesetz. Wir brauchen das, und die Landwirte brauchen es auch.

Vielleicht braucht Europa wirklich weniger Regeln und mehr Anstrengung, die bestehenden umzusetzen?

Das ist doch kein Gegensatz. Wir haben in Europa im Bereich Umwelt jetzt sieben wichtige Strategien, die wir politisch umsetzen und vor Ort mit Leben füllen müssen: Die Strategien zum Schutz der Biodiversität, des Bodens, der Landwirtschaft und zur Klimaanpassung, die gemeinsame Agrarpolitik, die Wasserrahmenrichtlinie und den Green Deal. Die europäischen Landschaftspflegerinnen und Landschaftspfleger sind für die letzten 100 Meter Strecke dieser Vorhaben verantwortlich, wir setzen sie tatsächlich um. Papiere und Projekte versauern gerne in Schubladen, weil vor Ort die personelle Kraft und die Finanzen fehlen, um sie umzusetzen. Da müssen wir hinein investieren!

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