Gewalt gegen Frauen in Sudan: „Keine Frau in Khartum ist sicher“

Seit Kriegsausbruch steigt die Zahl der Vergewaltigungen in Sudan. Suleima Ishaq kümmert sich mit ihrer Organisation um betroffene Frauen.

Ein Mann, eine Frau und ein Kind stehen neben einem Reisebus

Bloß weg hier: Eine Familie flieht aus Sudans umkämpfter Hauptstadt, 30. Mai Foto: afp/getty images

KAIRO taz | Über sechs Wochen dauert nun schon der Krieg in Sudan, und wie in jedem Krieg zahlen auch hier die Frauen einen besonders hohen Preis. Es häufen sich Berichte von Vergewaltigungen und Verschleppungen junger Frauen. Besonders dramatisch ist die Lage in der Hauptstadt Khartum und deren Umgebung. Trotz des eigentlich geltenden Waffenstillstands kämpfen dort Staats- und Armeechef Abdelfattah al-Burhan und der Chef der RSF-Miliz Mohamed Hamdan Daglo, auch genannt Hametti, weiterhin gegeneinander um die Alleinherrschaft. Die Zivilbevölkerung schaut hilflos zu.

„Was den sudanesischen Frauen widerfährt, ist ein ständiger Teufelskreis der Gewalt, aus dem es kein Entkommen gibt. Frauen werden immer wieder vergewaltigt, weil die Straßen nicht sicher sind. Dazu kommen die ständigen Bombardierungen“, erzählt Suleima Ishaq. „Keine Frau in Khartum ist sicher.“ Ishaq leitet in Sudans Hauptstadt die „Organisation zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“, die sich um Vergewaltigungsopfer kümmert. Kontakt mit ihr ist nur über den Internetnachrichtendienst Whatsapp möglich.

Besonders gefährdet, sagt Ishaq, seien Frauen, die sich als Tagelöhnerinnen verdingen oder die auf den Märkten arbeiten. Denn um zu überleben, müssten sie weiter auf den unsicheren Straßen arbeiten.

Waffenruhe verlängert: Die seit 22. Mai geltende Waffenruhe zwischen Armee und RSF-Miliz in Sudan, die bei Gesprächen in Saudi-Arabien vermittelt worden war, ist am Montagabend für weitere fünf Tage verlängert worden.

Kämpfe gehen weiter: Eingehalten wurde die Waffenruhe nie. Auch am Dienstag dauerten Luftangriffe und Artilleriebeschuss in der Hauptstadt Khartum sowie in den Städten der Region Darfur an.

Immer mehr Tote und Flüchtlinge: Seit Kriegsbeginn am 15. April sind nach Angaben der Konfliktbeobachtungsgruppe ACLED mindestens 1.800 Zivilisten getötet worden. Die Zahl der Kriegsflüchtlinge inner- und außerhalb des Landes liegt nach UN-Angaben bei nahezu 1,5 Millionen. In umkämpften Städten haben die meisten Menschen keinen Zugang mehr zu Strom und Wasser oder Geld.

Aber nicht nur sie seien in Gefahr, denn gerade die RSF-Milizen dringen immer wieder in Privathäuser ein. Die Milizionäre richteten dort ihre Stellungen ein oder übernachten dort. Selbst wenn die Milizionäre die Frauen noch in Ruhe lassen, nutzten oft später kriminelle Banden die Chance der aufgebrochenen Häuser. Ishaq kennt mindestens drei Fälle von brutalen Gruppenvergewaltigungen.

Immer mehr junge Frauen werden verschleppt

„Die sexuellen Angriffe haben zugenommen, genauso wie die Verschleppungen von jungen Frauen. Augenzeugen der zivilen Nachbarschaftskomitees erzählen von neuen Ausmaßen sexueller Gewalt“, schildert Ishaq die Lage.

„Unser Problem ist, dass wir meistens nicht informiert sind, um den Frauen zu helfen und ihnen zu sagen, wie sie sich verhalten und welche einigermaßen sichere Route sie nehmen sollen, um von dort wegzukommen.“ Das, sagt sie, sei für ihre Organisation „die größte Herausforderung“.

Schwierig sei auch die Gesundheitsversorgung der Frauen. Die meisten Gebiete rund um die Krankenhäuser würden von den Milizen kon­trolliert und seien, wenn sie noch funktionierten, nur schwer zugänglich. „Viele Frauen in Khartum bräuchten dringend Hilfe in Frauengesundheitszentren, nicht nur bei den Geburten. Die aber werden entweder beschossen oder sind von Truppen besetzt. Viele verbluten, manche haben wegen der traumatischen Kriegssituation Fehlgeburten“, berichtet Ishaq.

Unterstützung für Vergewaltigungsopfer sei ebenfalls schwierig. „Wo wir Hilfe anbieten können, das ändert sich jeden Tag je nach Lage der Kampfhandlungen“, beschreibt die Psychotherapeutin ihre Arbeit.

Etwa 1,4 Millionen Menschen sind auf der Flucht
Suleima Ishaq

„Frauen werden vergewaltigt, weil die Straßen nicht sicher sind“

Inzwischen befinden sich 1,4 Millionen Menschen in Sudan auf der Flucht, die meisten noch innerhalb der Landesgrenzen. Manchmal lassen die Männer einfach ihre Frauen zurück, erzählt Ishaq. Es würden auch Ehemänner, Brüder oder Väter vermisst, die das Haus verlassen haben, um Besorgungen zu machen und die dabei umgekommen sind oder an einer Straßensperre festgenommen wurden.

Das hinterlasse die Frauen und Kinder in einer besonders prekären Lage, warnt Ishaq: „Sie sind besonders verwundbar gegenüber jeglichen Angriffen und Ausbeutung und sie laufen auch Gefahr, Opfer von Menschenschmugglern zu werden.“ Die Menschenschmuggler machten ihnen falsche Hoffnungen und behaupteten, sie an einen sicheren Ort zu bringen. Das betrifft vor allem Frauen, die keine Papiere haben. Für sie sei das Risiko des Menschenhandels ganz besonders groß.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.