Haushaltsstreit in Israel beendet: Ultraorthodoxe bevorzugt behandelt

Israels Regierungskoalition verabschiedet einen Haushalt, der den Radikalen und Ultraorthodoxen noch mehr Geld zugesteht. Tausende protestieren.

Menschen bei einer Demo

Demonstration am Dienstag, während die israelische Regierung über den neuen Haushalt abstimmt Foto: Ilia Yefimovich/dpa

TEL AVIV taz | Von einem „Neuanfang“ sprechen die einen, von einem „traurigen Tag“ für das Land Israel die anderen. Das israelische Parlament nach einer langen Nacht in der Knesset am Mittwochmorgen den Haushalt für das laufende und das nächste Jahr verabschiedet. Alle 64 Abgeordneten der extrem rechten Regierungskoalition stimmten dafür. Damit sind vorgezogene Neuwahlen abgewendet.

Als Reaktion auf die Verabschiedung des Haushalts sagte der Oppositionsführer Yair Lapid: „Während Sie geschlafen haben, wurde der schlechteste und destruktivste Haushalt in der Geschichte Israels verabschiedet.“ Der Haushalt sei ein Verstoß gegen den Vertrag der Regierung mit den Bürgern Israels: „Wir alle, auch unsere Kinder, werden dafür bezahlen.“

Bei dem Haushalt geht es insgesamt um rund 120 Milliarden Euro für das Jahr 2023, etwas mehr für das kommende Jahr. 280 führende israelische Öko­no­m*in­nen hatte im Vorfeld einen Brandbrief veröffentlicht, in dem sie davor warnten, dass „Israel sich [mit diesem Haushalt] in ein Dritte-Welt-Land verwandeln könnte“.

Die israelische Wirtschaftszeitung calcalist bläst ins gleiche Horn und kritisiert die beispiellose Bevorzugung bestimmter Teile der israelischen Gesellschaft, namentlich die Ultraorthodoxen und die religiösen Zionisten.

Streit zwischen Säkulären und Religiösen wird schärfer

In den vergangenen Wochen war es zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition um den Haushalt gekommen. Die ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Tora-Judentum und die rechtsextreme Partei Jüdische Kraft hatten damit gedroht, dem Haushalt nicht zuzustimmen. Dies hätte Neuwahlen zur Folge gehabt. In letzter Minute einigten sie sich am Montag mit Ministerpräsident Netanjahu.

Dem Chef der Partei Jüdische Stärke, Itamar Ben Gvir, sprach Netanjahu zusätzliche 62 Millionen Euro zu, die in Ben Gvirs Ministerium zur Entwicklung der Negev-Wüste und Galiläas fließen soll. Die gleiche Summe versprach Netanjahu der Partei Vereinigtes Tora-Judentum für eine einmalige Subvention von Jeschiwa-Studenten, also verheirateten Männern, die religiöse Studien betreiben und nicht arbeiten.

Während die Knesset über den Haushalt abstimmte, protestierten Tausende gegen die Verabschiedung. Sie skandierten Slogans gegen die „Plünderung“ der Staatskasse durch die Regierung. „In einer Demokratie“, schallte es aus den Lautsprechern, „werden die Gelder in die Öffentlichkeit und in das Wachstum investiert. In Diktaturen wird das Geld an diejenigen verteilt, die der Regierung nahestehen. Dieser Haushalt ist ein Schritt auf dem Weg, Israel in eine Diktatur zu verwandeln.“

Spaltung spitzt sich zu

Die Spaltung zwischen Säkularen und Ultraorthodoxen spitzt sich immer mehr zu. In der vergangenen Woche demonstrierten Tausende Regierungsgegner in der ultraorthodoxen Stadt Bnei Brak, die an Tel Aviv angrenzt. Zwar betonen sie, dass sie nicht gegen die Ultraorthodoxen sind, sondern gegen die ungerechte Verteilung der Gelder.

Doch die Frustration unter vielen säkularen Israelis ist groß. Für sie ist klar: Der nun verabschiedete Haushalt geht auf ihre Kosten, denn sie finanzieren die ultraorthodoxen Gemeinschaften, die mittlerweile rund 13 Prozent der israelischen Bevölkerung ausmachen. Die meisten der ultraorthodoxen Männer gehen nicht arbeiten, sondern betreiben ganztags religiöse Studien. Auch vom Militärdienst sind sie befreit. Gleichzeitig steigen die ohnehin enorm hohen Lebenshaltungskosten weiter, dabei war Netanjahu mit dem Versprechen angetreten, diese zu senken.

Am Mittwochmorgen verkündete Netanjahu, sich nun wieder der umstrittenen Justizreform zuwenden zu wollen, mit der die Regierung die Gewaltenteilung aufheben will. Vor einer Woche hatte die israelische Tageszeitung Haaretz von möglichen ersten Kompromissen in den Verhandlungen zur Justizreform zwischen Regierung und Opposition unter Führung des israelischen Präsidenten Yitzhak Herzog berichtet. Die Parteien negierten dies.

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