Das globale Scheppern

Cumbia-Parties haben in Hamburg schon länger ein Publikum, nun bekommt das südamerikanische Genre eine Art fester Heimat – dank der Reihe „Cumbia im Viertel“

Von Knut Henkel

„Amor en Silencia“, Liebe im Stillen: So heißt der letzte Cumbia-Track, den der argentinische DJ Chancha via Circuito mit der Sängerin Lido Pimienta veröffentlicht hat. Den schleppenden Song wird Pedro Canale – so heißt der DJ bürgerlich – dabei haben am Mittwoch im Hamburger „Knust“, genauso seinen Remix von „Quimey Neuquén“, der es vor inzwischen rund zwölf Jahren immerhin in die TV-Serie „Breaking Bad“ schaffte.

Canale gehört zu den Großmeistern der argentinischen Cumbia, die er mit argentinischer Murga, aber auch indigenen und sogar afrikanischen Stilelementen fusioniert. Lange war er daher das Aushängeschild des innovativen Labels „ZZK Records“ aus Buenos Aires; mit „Estrella“ hat er Anfang des Jahres sein fünftes Album vorgelegt.

„Estrella“ dürfte im Zentrum stehen beim DJ-Set des kreativen Soundtüftlers, auf das sich Fabian Villasana und Tim Peterding schon lange freuen: Die beiden sind sozusagen die Strippenzieher hinter der Veranstaltungsreihe „Cumbia im Viertel“ im Hamburger Schanzenviertel. Sieben Cumbia-Abende haben sie bis Ende September in der Pipeline, eine Handvoll weiterer sei in Vorbereitung. Dafür sind die beiden vor allem virtuell unterwegs auf der anderen Seite des Atlantiks, zwischen Feuerland und Mexiko. An der Karibikküste Kolumbiens steht die Wiege des Genres: In Städten wie Barranquilla oder Mompós am Río Magdalena entstand in den 1950er- und 1960er-Jahren der treibende 4/4-Takt. Von dort aus trat er seinen Siegeszug an, nach Bogotá und bald auch in die Nachbarländer.

In den 1970er- und 1980er-Jahren dann ebbte die Welle ab, machte zumindest in Kolumbien der Salsa und anderen Stilen Platz. Doch das war nur vorübergehend, die echten Fans sammelten die alten Alben und digitalisierten sie Anfang der 1990er. So blieb der Cumbia-Sound in Städten wie dem mexikanischen Monterrey, in Buenos Aires oder auch der peruanischen Amazonasregion lebendig. Neue, schleppende, von Akkordeon und teils von psychedelischen Gitarrenriffs geprägte Spielarten wurden dort, aber auch anderswo von DJs und Musikern geprägt: die peruanische „Chicha“ etwa.

Oder die „Cumbia-Rebajada“ aus Monterrey: Dabei drosseln die DJs ihre Plattenspieler, alles kommt leicht verzerrt aus den Boxen. Dieser Weiterentwicklung hat Net­flix schon ein Denkmal gesetzt: den Film „Ya no estoy aqui“ („Ich bin nicht mehr hier“). Aus dem mexikanischen Cumbia-Hotspot Monterrey stammt auch Co-Veranstalter Villasana selbst. In Hamburg ist der 43-Jährige seit rund zehn Jahren als Cumbia-DJ „Dr. Calavera“ aktiv, darüber hinaus als Netzwerker: Bands und DJ-Kollegen aus Übersee dient er als eine Art Drehscheibe bei der Organisation von Auftritten und Partys.

In Konzerthallen und, hin und wieder, auch auf Friedhöfen spielen Son Rompe Pera ihre Marimba-Cumbia mit Punk-Anteilen

Seit einem Jahr tut er das nun auch im Knust, wo etwa „Dengue Dengue Dengue“ bereits vergangenes Jahr grandios aufgelegt hat. Ende September werde das peruanische DJ-Duo hier noch einmal an den Reglern stehen, sagt Peterding, verantwortlich für das Künstler-Booking. Der Laden gehe „neue Wege nach der Pandemie“, sagt der 38-Jährige, „öffnet sich neuen Communities und die Cumbia-Szene ist eine davon“. Mit Villasana bekannt gemacht hat ihn Marga Glanz, Betreiberin des Plattenladens Groove City in der nahegelegenen Marktstraße.

Das ist rund ein Jahr her, es läuft so gut, dass mit Son Rompe Pera die erste Cumbia-Band schon zum zweiten Mal im Knust Station macht. Das Quintett aus Naucalpan, einem Barrios von Mexiko-Stadt, hat die Marimba, das hölzerne, schwere in Mittelamerika so populäre Xylophon ins Genre eingeführt – auch eine Hommage an den 2016 verstorbenen José Dolores „Batuco“ Gama. Der hatte seinen drei Söhnen die Marimba an die Wiege gestellt. Jedes Jahr Ende Oktober/Anfang November zog er mit dem Trio auf den Friedhof Río Hondo und hat rund um den „Tag der Toten“ Songs gespielt, welche die Hinterbliebenen sich wünschten.

Diese spezielle Marimba-Schulung hat Mongo, Kacho und Kilos geprägt: Die drei Söhne gründeten mit zwei Freunden „Son Rompe Pera“. Anfangs auf Märkten, dann in den ersten Konzerthallen und, hin und wieder, immer noch auf Friedhöfen spielen sie ihre Marimba-Cumbia mit Punk-Anteilen. Mit ihrem jüngsten Album „Chimborazo“, in Bogotá eingespielt und erst vor einigen Woche vorgestellt, kommen „Son Rompe Pera“ Anfang August nach Hamburg – auf einen Abend der musikalischen Überraschungen freuen sich dann wohl nicht nur Villasana und Peterding, die beiden Drahtzieher hinter „Cumbia im Viertel“.

DJ-Set Chancha via Circuito: Mi, 7. 6.,; Konzert Son Rompe Pera: Mi, 2. 8., Hamburg, Knust. Die Reihe im Internet: www.facebook.com/cumbiaimviertel