Besetzung der Wuhlheide in Berlin: Polizei kommt mit Räumfahrzeugen

Die Waldbesetzung der Wuhlheide gegen ein geplantes Straßenbauprojekt wurde geräumt. Die Polizei sägte sich den Weg zu den Baumhäusern frei.

Polizisten stehen im Wald, über ihnen Transparente, Aufschrift: Friede den Nestern, Krieg den Palästen

Kurz vor sechs hat die Räumung des queerfeministischen Baumhausdorfs in der Wuhlheide begonnen Foto: Paul Zinken/dpa

BERLIN taz | Carlo, Ak­ti­vis­t*in aus der Waldbesetzungs-Gruppe „Wuhlheide Bleibt“, steht auf dem Waldboden und liest aus einem Schreiben der Stadt Berlin die Gründe für die Räumung des Protestcamps vor: Die Baumhäuser würden zu dieser Zeit im Frühling die Rinden der Kiefern besonders beschädigen, heißt es dort. In der Nähe ertönt eine Motorsäge der Polizei, die sich den Weg Richtung Camp freisägt. Eine maskierte Person mit Glitzer an den Augen ruft von oben aus einem Baumhaus: „Ich weiß noch eine Sache, die Bäume beschädigt: Straßen!“, ruft sie. Dann skandieren die Ak­ti­vis­t*in­nen gemeinsam: „Wuhli bleibt!“

Die unangekündigte Räumung des Protestcamps in der Wuhlheide hat am frühen Morgen kurz vor 6 Uhr begonnen. Eine Mahnwache des Camps wurde aufgelöst, seitdem wurde begonnen, Bäume zu markieren und Tripods, Plattformen und ein Baumhaus zu räumen. Darin harrten bis zum Nachmittag noch queerfeministische Be­set­ze­r*in­nen aus, die dort seit Samstagnacht gegen den Bau der Straße Tangentiale Verbindung Ost und die damit einhergehende Waldrodung demonstrieren.

Die Polizei war mit 400 Einsatzkräften vor Ort und sperrte die normalerweise von Berufsverkehr stark befahrene Rudolf-Rühl-Allee komplett ab. Nach mehreren Durchsagen erklärte sie die Versammlung mitten im Kiefernwald für verboten. Danach räumte sie mit Klettereinheiten zunächst zwei Tripods. Po­li­zis­t*in­nen schlugen mit Motorsägen und Räumfahrzeugen von zwei Seiten Schneisen in den Wald, um zum kleinen Baumhausdorf zu gelangen.

In den Baumhäusern ist die Stimmung zunächst entspannt. Die Be­set­ze­r*in­nen singen leise, während die Polizei sich mit einer Leiter Zugang zu den Plattformen verschafft. Immer wieder rufen sie: „Wuhli bleibt!“ Am Vormittag beginnen die Be­am­t*in­nen dann, die Plattformen zu räumen und seilen die Ak­ti­vis­t*in­nen nacheinander ab und tragen sie weg. Mithilfe einer Hebebühne fällen sie unter lautstarkem Protest der Um­welt­schüt­ze­r*in­nen Bäume, um sich Zugang zum Baumhaus zu verschaffen.

Über die Erfüllung von Auflagen wollte die Polizei mit den Ak­ti­vis­t*in­nen nicht verhandeln. Die Besetzer*innen, die per Eilantrag gegen das bis 30. September geltende Versammlungsverbot Einspruch einlegten, standen so am frühen Morgen vor vollendeten Tatsachen. Ihr Eilantrag wurde erst ab 9 Uhr bearbeitet. Das Gericht gab der Polizei bis 11 Uhr Zeit für eine Stellungnahme, im Anschluss sollte über den Eilantrag gegen die Räumung entschieden werden.

Linke und Grüne kritisieren Vorgehen der Polizei

„Wir haben die Polizei aufgefordert, die Räumung aufzuschieben, bis die Entscheidung des Gerichts da ist, doch die hat ihren Spielraum nicht genutzt und auf dem unmittelbaren Vollzug bestanden“, sagte der Linken-Abgeordnete Tobias Schulze, der als parlamentarischer Beobachter vor Ort war. „Das müssen wir politisch aufarbeiten, ob das so zielführend und verhältnismäßig ist, was die Polizei da macht.“

Auch der Abgeordnete Vasili Franco (Grüne) sieht den Einsatz kritisch: „Zu sagen, dass die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen militant aussehen und auf Außenstehende einschüchternd wirken, argumentiert an der Realität vorbei“, sagt er zur taz. Die Polizei hatte das Versammlungsverbot unter anderem damit begründet, dass die Ak­ti­vis­t*in­nen sich „in einer martialischen Aufmachung präsentiert“ hätten, die auf Außenstehende „eine suggestiv militante Wirkung erzeugt“. Vasili Franco zeigt auf das Banner mit dem Maulwurf. „Das ist ein schlechter Witz.“

Als Begründung für die Räumung nennt eine Polizeisprecherin vor Ort neben der Gefahr für Dritte, die durch die Besetzung ausginge, mangelnde Gesprächsbereitschaft. „Die Kommunikation zu den Versammlungsteilnehmern war zu keiner Zeit möglich.“ Die Be­set­ze­r*in­nen widersprechen. Auch Tobias Schulze sieht das anders. „Die Demonstranten waren gesprächsbereit, um Auflagen zu erfüllen und mögliche Gefahrenquellen zu beseitigen, es kamen aber keine Auflagen, sondern es wurde gleich mit der Räumung begonnen.“

Bis zum Nachmittag ist das Camp dann vollständig geräumt und alle Ak­ti­vis­t*in­nen abgeführt. Auch der Eilantrag wurde vom Gericht abgelehnt. Die Botschaft der Be­set­ze­r*in­nen ist jedoch klar: Wir kommen wieder.

Ab 9 Uhr solidarisierte sich an der nahe gelegenen S-Bahn-Haltestelle eine Demonstration mit mehreren Dutzend Teil­neh­me­r*in­nen und lief in Richtung des Camps über die abgesperrte Rudolf-Rühl-Allee. Bis zu den Baumhäusern durften die Demonstrierenden allerdings nicht laufen. Sie mussten in Hörweite hinter Gittern warten und skandierten Parolen wie „You are not alone!“ oder „Change your diet for the climate, eat the rich!“ Die Kundgebung bekam im Laufe des Tages stetigen Zulauf und war fußläufig von der Wuhlheide aus zu erreichen. Am Nachmittag klebten sich dann Ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation auf die Rudolf-Rühl-Allee.

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