Nord-Süd-Konflikt bei Energiekosten: Billiger Strom für Söder

Die Bundesländer im Norden produzieren erneuerbaren Strom und halten das Preismodell für unsolidarisch. Die im Süden sehen das natürlich anders.

Stromfreileitung neben Windpark

Windpark in Brandenburg neben Freileitung Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Es ist ein Nord-Süd-Konflikt: Die Bundesländer im Norden beklagen, dass sie zwar den meisten Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, aber nicht von günstigeren Strompreisen profitieren – beziehungsweise sogar höhere Preise bezahlen. Die Länder im Süden beharren jedoch darauf, das geltende Strompreissystem zu erhalten.

Die Debatte verschärfte sich im Herbst, als Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern regionale Strompreiszonen auf die Tagesordnung brachten. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben nun reagiert: Eine einheitliche Strompreiszone, schrieben die betreffenden Ministerpräsidenten kürzlich in einer öffentlichen Erklärung, sei Ausdruck eines einheitlichen deutschen Wirtschaftsraums. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wandte dagegen wiederum ein, Deutschland habe „ein total unsolidarisches System“.

Tatsächlich werden in der Debatte zwei unterschiedliche Aspekte oft nicht sauber getrennt: die Marktarchitektur des Stromgroßhandels und die Kalkulation der Netzentgelte im Verteilnetz.

Im Großhandel ergibt sich der Börsenpreis simpel aus Angebot und Nachfrage. Er schwankt, ist aber in ganz Deutschland stets einheitlich, weil alle Akteure auf dem gleichen Handelsplatz zusammentreffen. Ist das Stromangebot groß, weil der Norden viel Windstrom produziert, sinkt das Preisniveau am Spotmarkt bundesweit.

Anderes Thema: die Systematik der Netzentgelte

Also können auch im Süden Unternehmen billig diesen Strom aus Windkraft einkaufen, selbst wenn dieser die Käufer rein physikalisch gar nicht erreicht. Das beschert nicht nur den Übertragungsnetzbetreibern Komplikationen – die Nordländer empfinden es als ungerecht.

Eine Lösung läge in mehreren Preiszonen, wie sie die Länder im Norden fordern. Dann nämlich bilden sich auf den Teilmärkten regionale Preise aus Angebot und Nachfrage. Damit würde Strom in Bundesländern, die ihn überwiegend importieren, tendenziell teurer, in den Exportländern billiger.

Dabei schwanken die Preisdifferenzen: Wenn ausreichend Transportkapazitäten zwischen den Zonen vorhanden sind, bleiben die Preise weiterhin identisch, bei Netzengpässen gehen sie mehr oder weniger stark auseinander. Auch die EU drängt zunehmend auf eine Aufspaltung des deutschen Strommarkts, da die aktuelle Form auch in Nachbarländern zu Marktverwerfungen führt.

Ein gänzlich anderes Thema ist die Systematik der Netzentgelte. In ländlichen Regionen, in denen der Stromverbrauch gering ist, zahlen die Verbraucher zumeist höhere Netzentgelte als in den Städten. Zugleich lässt auch der Ausbau der erneuerbaren Energien die Entgelte steigen, weil die Verteilnetze oft für die Einspeisung verstärkt werden müssen.

Nach dem jüngsten Monitoringbericht der Bundesnetzagentur sind die Netzentgelte für Haushaltskunden in Schleswig-Holstein mit im Mittel 9,79 Cent pro Kilowattstunde am teuersten. Am günstigen weg kommen die Menschen in Bremen (5,85 Cent), Berlin (6,49 Cent) und Bayern (6,95 Cent). In einzelnen Netzgebieten stehen sich Extremwerte von 20,15 Cent und 3,48 Cent gegenüber.

Damit der Netzausbau im Zuge der Energiewende nicht vor allem von den Bürgern bezahlt wird, die viele Windkraftanlagen in ihrer Region haben, wird seit Jahren schon eine bundesweite Vereinheitlichung der Netzentgelte diskutiert – bisher ohne konkretes Ergebnis. Ein Beispiel könnte die Angleichung der Netzentgelte auf der Hochspannungsebene sein: Seit 2023 greift das Netzentgeltmodernisierungsgesetz dort vollumfänglich und legt die Kosten bundesweit um.

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