Wahl in Bremen: Finger weg von der Brötchentaste

Die Grünen verlieren in ihrem Stammland deutlich. Wer Kleinstprobleme nicht ernst nimmt, wird bei den großen Themen nicht vorankommen.

Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte steht vor einer roten SPD-Wand

Bremens Bürgermeister Bovenschulte freut sich, die Grünen sind weniger froh Foto: reuters / Fabian Bimmer

Autsch, das hat den Grünen wehgetan: Die Bremen-Wahl bringt ihnen einige Prozentpunkte Verlust im Vergleich zu der vor vier Jahren. Und das Land ist ja so etwas wie ihre gute Stube: Die Bremische Bürgerschaft war 1979 der erste deutsche Landtag, in den die Ökos einzogen. Aber trotzdem: Laut Nachwahlbefragungen steht die linke Mehrheit. Rot-Rot-Grün kann also weiterregieren.

Und wird es wohl auch, außer die SPD verknallt sich plötzlich doch in die CDU – oder aber die Grünen verdrücken sich wegen Liebesentzug in die Schmollecke. Wenn Gefühle und Kränkungen im Spiel sind, wie neulich in Berlin, wird’s schwer mit den Vorhersagen. Inhaltlich aber und machtpolitisch spricht wenig für eine Große Koalition: Die SPD weiß jetzt, dass sie in Bremen von einem fortschrittlichen Dreierbündnis profitieren kann. Und die Grünen können den Anspruch, mitzugestalten, nicht so ohne Weiteres über Bord werfen, wenn sie meinen, Lösungen für das Menschheitsproblem Klimawandel im Angebot zu haben.

Bundespolitisch sagt das wenig aus. In vielerlei Hinsicht handelt es sich um eine Brötchentastenwahl. Als Brötchentaste wird die Option bezeichnet, an Parkautomaten ein Gratis-Kurzzeitticket zu lösen, damit Au­to­fah­re­r*in­nen beim Bäcker aus ihrer Karre springen und schnell eine Kleinigkeit kaufen können, ohne fürs Parken zu bezahlen. Diese Begünstigung war in einem Stadtteil abgeschafft worden, kurz vor der Wahl; angeblich senatsintern unabgesprochen und auf Betreiben der zuständigen Senatorin Maike Schae­fer, der Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen.

Linke kann siegen

Gründe für deren Erosion wird man eher auf dieser Ebene finden: Allein diese Aktion hat massiv für böses Blut und etliche Aufmacher der Lokalzeitung gesorgt. Plus Leser*innenpost. Ja, das klingt unerwachsen. Aber so geht es nun mal zu in der Stadtstaaten-Politik: Wer ihre Kleinstprobleme nicht berücksichtigt, wird beim Verhindern der globalen Katastrophen auch nicht vorankommen.

So gesehen weist die Bremer Wahl dann doch über den Tag hinaus: Sie zeigt, dass Die Linke, wenn ihr, vom Klamauk der Mutterpartei unbeeindruckt, an einem wichtigen Uni- und Industriestandort der Spagat zwischen akademischer und arbeiterlicher Anhängerschaft gelingt, ein gutes Ergebnis verteidigen kann.

Und sie zeigt, dass eine fortschrittliche Koalition unfallfrei eine Legislatur überstehen, ehrgeizige Klimaschutzprojekte anstoßen, ja auch Krisen sozialverträglich managen kann – und nur dann ihre Mehrheit gefährdet, wenn sie die Brötchentaste antastet. Etwas Besseres als der Tod ist das allemal.

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Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

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