Nach tödlichem Polizeieinsatz: Familie erstattet Anzeige

Vitali N. starb nach einem Polizeieinsatz. Taz-Recherchen hatten Widersprüche öffentlich gemacht.

Ein eingezäuntes Stück Rasen vor einem Mehrfamilienhaus

Der Tatort. Die Familie des Verstorbenen hat Anzeige gegen unbekannt erstattet Foto: taz

BERLIN taz | Die Familie von Vitali N., der nach einem Polizeieinsatz in Königs Wusterhausen gestorben war, erstattet Anzeige. Das geht aus einem Schreiben hervor, das der Anwalt im Namen des Sohnes sowie des Bruders des Verstorbenen an die Staatsanwaltschaft Cottbus geschickt hat. Die Strafanzeige liegt der taz vor.

Darin heißt es, es bestehe der Verdacht eines „gemeinschaftlich begangenen Tötungsdeliktes“. Aufzuklären sei, ob Vitali N. unmittelbar durch Drücken des Gesichts in feuchte Erde kollabierte oder ob ein sogenannter „lagebedingter Erstickungstod“ verursacht wurde. Die Anzeige ist gegen „unbekannt“ gestellt, bezieht sich aber explizit auf den Polizeieinsatz. Bei dem hatten auch zwei Anwohner geholfen, Vitali N. zu fixieren.

Die Familie von Vitali N. will außerdem eine unabhängige Obduktion des Leichnams durchführen lassen. Dafür sammelt der Potsdamer Verein „Opferperspektive“ Spenden.

Das Misstrauen der Familie gegenüber den Ermittlungsbehörden sei groß, teilt der Verein mit. Für die Angehörigen stelle sich die Frage, inwiefern Rassismus auf Seiten der Polizei zur Gewalteskalation geführt hat. „Zahlreiche Widersprüche stehen im Raum und es scheint kein Interesse bei den Ermittlungsbehörden zu geben, diese auszuräumen“, teilt der Verein mit.

Sauerstoffmangel im Gehirn

Vitali N. war am 11. April in Königs Wusterhausen von der Polizei festgenommen worden, nachdem er randaliert haben soll. Nach taz-Recherchen verlor der 45-jährige Mann aus Moldau bei der Festnahme das Bewusstsein und musste erst von der Polizei, dann von einem Notarzt reanimiert werden. Er wurde in das Klinikum Neukölln nach Berlin gebracht, wo er am Tag darauf verstarb.

Taz-Recherchen hatten ergeben, dass die Ärz­t*in­nen im Neuköllner Klinikum davon ausgehen, dass Vitali N. erstickt sein muss. Auf dem Leichenschauschein wurde vermerkt, dass N. eine „schwerste anoxische Hirnschädigung“ hatte, also Sauerstoffmangel im Gehirn. Dieser sei „durch gewaltsames zu Boden drücken von Gesicht und Thorax in Bauchlage“ hervorgerufen worden.

Die von der Berliner Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Obduktion des Leichnams hatte vorerst keine Hinweise auf Gewalteinwirkung oder Fremdverschulden gebracht.

So lange die offizielle Obduktion nicht abgeschlossen ist, gibt es keine Ermittlungen gegen die am Einsatz beteiligten Polizist*innen. Die Be­am­t*in­nen sind weiterhin im Dienst.

Gegen Vitali N., den Verstorbenen, läuft unterdessen weiter ein Verfahren wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Wann das eingestellt wird, konnte die Cottbusser Staatsanwaltschaft auf taz-Anfrage nicht klären.

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