Erwachsene auf Hobbysuche: Ich will doch nur spielen

Ein Hobby muss her, um die verbliebene Zeit nach der Lohnarbeit sinnvoll zu nutzen. Aber als Erwachsene eins zu finden, ist gar nicht so einfach.

Beine von Tänzer:innen

Die Freizeit mit etwas füllen, das man liebt Foto: reuters

Neulich saß ich bei einer Geburtstagsfeier und unterhielt mich mit einer Frau in meinem Alter. Ich kannte weder ihren Namen noch ihren Beruf. Ich wusste nur, dass sie eine leidenschaftliche Tangotänzerin ist. Sie erzählte mir, wie sie zum Tanzen kam, was der Tango mit ihrem Körper und mit ihrer Seele macht, und ich fragte sie aus – weil es so schön ist, wenn jemand von etwas spricht, das sie oder ihn bewegt.

„Und was machst du so, außer arbeiten?“, fragte die Frau irgendwann. Der gefürchtete Hobbyvergleich. Meistens antworte ich auf diese Frage, dass Schreiben ja meine Leidenschaft ist – und ich das Glück habe, das auch beruflich zu machen. Gedanklicher Nebensatz: Da brauche ich kein Hobby. Trotzdem beneide ich Leute, die in ihrer Freizeit mehr als Pause machen.

Die meisten Leben sind auf Lohnarbeit ausgerichtet, alles andere bauen wir bestmöglich drumherum. Wie gut das Bestmögliche ist, hängt ab von Geld, Gesundheit, Care-Arbeit. Und vom Job. Je nachdem ob jemand am Fließband steht, Menschen pflegt oder im Büro sitzt, können Unterschiede riesig sein. Meine Arbeit erlaubt mir viel. Schon während ich ihr nachgehe, bin ich häufig frei in Gedanken, in der Einteilung von Zeit, in der Wahl des Arbeitsortes. Und doch glaube ich, dass mir etwas fehlt, wenn ich mich nur mit ihr beschäftige.

Das Hobby als Persönlichkeitsdarstellung

Natürlich stimmt es nicht, dass ich gar nichts tue, wenn ich nicht arbeite. Ich koche, pflanze, spaziere, alles gern. Aber um diese Tätigkeiten Hobbys zu nennen, fehlt die Regelmäßigkeit. Ehrlich gesagt bin ich mit freier Zeit meistens erst mal ein bisschen überfordert. Und vor allem bin ich nicht so begeistert wie meine Gesprächspartnerin, die vom Tango sprach.

Als Erwachsene auf Hobbysuche stellen sich ganz neue Herausforderungen: sich Zeit nehmen, die Zeit festhalten und dann mit etwas befüllen, das weder Binge-Watching noch Selbst­op­ti­mierung ist. Etwas, das Spaß macht. Hobbys sollen oft etwas, haben ein Ziel. Körper „in Form“ bringen, Stress bekämpfen, uns für die Lohnarbeit fit halten. Und ist das Hobby gefunden, dient es zur Persönlichkeitsdarstellung: Schaut, wie ich töpfere/meditiere/wandere und wie ausgeglichen ich dabei bin.

Ich erinnere mich noch, wie schön es ist, an einer Sache zu wachsen, die sich zunächst ziellos anfühlt. Wie toll lernen an sich ist, ohne dass das Erlernte sofort als weiterer skill in einen finanziellen, sozialen, kulturellen Wert übersetzt werden muss. Stundenlang vor sich hin zeichnen, alle Songtexte im Booklet auswendig lernen.

Gut möglich, dass ich die Tangofrau gar nicht um ein Hobby beneidet habe, sondern darum, dass sie ihre Freizeit so entschieden mit etwas füllt, das sie liebt. Sehr gut möglich, dass ich kein Hobby im Sinne eines Mal- oder Kampfsportkurses brauche, sondern die Hingabe zu einer Beschäftigung ohne Rahmen. Vielleicht, denke ich, muss ich einfach wieder mehr spielen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Ihr erster Roman 'Wovon wir träumen' erschien 2022 bei Piper. Zuletzt wurden ihre Kurzgeschichten in Das Wetter Buch für Text und Musik und Delfi Zeitschrift für Neue Literatur veröffentlicht.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.