Bügelflicken als Mangelware: Hosen sind politisch

Bei unserer Kolumnistin stapeln sich die Kinderhosen mit Löchern, zum Flicken ist kaum Zeit. Und wieso kann man eigentlich nirgends mehr Flicken kaufen?

Eine Trommel als Flick-Figur auf einer Hose darauf ein Bügeleisen

Für das Kind müssen Hosen nur bequem sein, alles andere ist egal Foto: Gianna Schande/imago

Ich habe eine Geschäftsidee. Also eigentlich habe ich ständig Geschäftsideen, aber diese hier lässt mich nicht los: Bügelflicken. Nicht fancy, mit Klimbim und Stickereien. Stinknormale, aufbügelbare runde Stoffflicken, um Löcher in Kinderkleidung zu verdecken. Vielleicht nicht der hässlichste Stoff, irgendwas Mittelgutes reicht aber. Ich würde sie stapelweise kaufen.

Denn ein Kind kommt seit etwa einem Jahr jede Woche mit einem neuen Loch in seiner Hose an. Immer an den Knien. Ob Sommer oder Winter. Wenn die Hose lang ist, hat sie – zack – ein Loch. Und ich lege die Hose dann auf den Stapel zerstörter Hosen, bis er hoch genug ist, um neue Hosen zu kaufen. Eigentlich will ich sie flicken.

Nur war das Jahr mit Umzug so chaotisch, dass Hosen zu flicken nie unter den Top 20 meiner To-do-Liste war. In einer der letzten sechs Umzugskisten ist mein Nähzeug. Doch ich habe weder Zeit, es zu suchen, noch Zeit, es zu benutzen – immerhin muss ich hier eine Kolumne schreiben. Also will ich Bügelflicken kaufen. Und zwar nicht die, die nach Chemie stinken oder beim Waschen abfallen. Gibt es aber nicht.

Letztens habe ich bei einer Bekleidungskette Flicken gesehen, bestickte Dinosaurier, zwei Stück. Ich kann die Viecher ja nicht mehr sehen. Ich finde, dafür, dass sie ausgestorben sind, nehmen sie einen zu großen Platz in meinem Leben ein. Aber sei’s drum. Ich hatte sie schon in der Hand, als ich bemerkt habe, dass sie knapp zehn Euro kosten. Zehn! Für zwei! Mein Kind hat zwei Knie. Und drölfzig kaputte Hosen. Bei der Kette ist eine neue Kinderhose für weniger zu haben.

Niemand weiß, woher die Löcher kommen

Ich habe auch versucht zu recherchieren, wie es zu all den Löchern kommt. Weder konnte mir der Erzieher weiterhelfen bei der Frage, was sie wochentags zwischen 9 und 15 Uhr Kniebelastendes veranstalten. Noch konnte mir das Kind Auskunft geben. Wenn ich frage, zieht es ein überraschtes Gesicht und sagt: „Ein Loch – wo ist ein Loch?“

Für das Kind müssen Hosen nur bequem sein, alles andere ist egal. Aber ich weiß, was Leute denken, wenn meine Kinder Löcher in den Hosen haben. Sie sehen mich und sehen nicht die Kolumnistin mit verhinderter Nähmaschine und vielen Terminen, sondern eine Mutter „mit Migrationshintergrund“, die sich nicht um ihre Kinder kümmert.

Ja, Hosen sind politisch. Gerade hat die rechtsradikale Wiener FPÖ ein Jogginghosenverbot in Schulen gefordert. Die Kinder sollten so Respekt lernen, noch besser durch Schuluniformen. Oft wird argumentiert, man könne ja auch nicht mit Jogginghose zum Bewerbungsgespräch gehen. Allerdings schnallen wir Kindern ja auch Schulranzen mit zähnefletschenden Dinos um, ohne Angst zu haben, dass sie 15 Jahre später so bei einem Vorstellungsgespräch auftauchen. Schuluniformen sehe ich eher skeptisch. Wenn sie genderneutral sind und jemand anders die Knie flickt, könnte ich mich aber dafür erwärmen.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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