LGBTQ-Feindlichkeit in Belarus: Vereint im Schwulenhass

Lukaschenko folgt Putin in seinem Feldzug gegen Homosexualität und sexuelle Vielfalt. Beiden dient die antiwestliche Propaganda zur Machtsicherung.

Bart in Regenbogenfarben

Gilt in Moskau und Minsk als westlich dekadent: der offene Umgang mit Homosexualität Foto: dpa

Seit Ende März steht Belarus wieder mal im Mittelpunkt der internationalen Öffentlichkeit. Dort sollen russische taktische Atomwaffen stationiert werden. Wie konkret die Pläne sind, ist umstritten. Fest steht: Um die im Westen verbreiteten Ängste zu schüren, arbeitet sich der belarussische Machthaber und Putin-Vertraute Alexander Lukaschenko am Thema Atomwaffen ab. Mal bringt er sich als Visionär ins Spiel, der die Atomwaffen am liebsten vernichten würde, mal stellt er die Stationierung strategischer Atomwaffen in Belarus in Aussicht und räumt sich das Mitspracherecht bei einem Einsatz russischer Raketen ein.

Lukaschenkos abenteuerliche Atom-Rhetorik macht die westliche Öffentlichkeit rat- und fassungslos. Die Tatsache, dass Lukaschenko in diesem Kontext auch radikale antiwestliche Parolen verbreitet, mit liberalen Werten abrechnet und seine Homophobie explizit zur Schau stellt, wird übersehen. Handelt es sich dabei um spontane Entgleisungen eines unverbesserlichen Schwulenhassers oder steckt dahinter vielmehr ein ideologisches Bekenntnis zu Putins Russland und vor allem eine perfide Strategie der Machtsicherung?

Bei seiner Ansprache an die Nation am 31. März stellte Lukaschenko seine Sicht auf Homosexualität dar: Wenn eine Frau eine gleichgeschlechtliche Beziehung führe, seien Männer daran schuld, denn sie hätten versagt. Für die männliche Homosexualität gebe es hingegen keine Entschuldigung. Diese sei eine verachtenswerte Perversion, deren „Propaganda“ nicht akzeptabel sei. Bei schwulen Männern in höheren Ämtern sei grundsätzlich Vorsicht geboten; ihre Tätigkeit im belarussischen Machtapparat sei zwar nicht zu beanstanden, sie würden sogar „besser“ als „normale Männer“ arbeiten. Als Staatschef wisse er jedenfalls genau, wer in seinem Umfeld homosexuell sei. Konkrete Namen? Diese würde er nicht nennen, noch nicht.

Von schwulenfeindlichen Ressentiments aus der Sowjetzeit geprägt, kommt Lukaschenkos Auftritt beim anwesenden Publikum – die gesamte Elite des Regimes – gut an. Es wird gelacht. Der Staatschef erntet Applaus.

In puncto Schwulenhass ist Lukaschenko ein Wiederholungstäter. Aus seiner homophoben Einstellung hat er nie einen Hehl gemacht. Seine an den früheren Bundesaußenminister Guido Westerwelle gerichtete Bemerkung „lieber Diktator als schwul“ sorgte in den früheren 2010er Jahren für Schlagzeilen. Heute gehört Belarus zu Europas LGBTIQ+-feindlichsten Ländern.

Im Gegensatz zu Russland, wo die homophobe Rhetorik gesetzliche Verbote der „Homo-Propaganda“ flankierte, sah Minsk allerdings lange Zeit von derartigen, im Westen scharf kritisierten Maßnahmen ab, aus pragmatischen Gründen. Als sich Belarus und die EU in der zweiten Hälfte der 2010er angenähert hatten, griff der Machthaber das heikle Thema nicht mehr auf. Der Propaganda-Knüppel „Schwulenhass“ wurde allerdings im Kontext der demokratischen Proteste in Belarus 2020 wieder ausgepackt. Das Regime orientiert sich dabei an Russland, das homophobe Narrative verbreitet und seinen Einfluss im Nachbarland ausbaut.

Seit den späten 2000er Jahren predigt Wladimir Putin den „russischen Sonderweg“, setzt auf die gesellschaftliche Konsolidierung auf Grundlage traditioneller „russischer Werte“ und treibt die „Entwestlichung“ Russlands voran. Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verstärkten sich diese Tendenzen erheblich.

Die liberalen demokratischen Werte werden inzwischen als „nicht russisch“ zurückgewiesen und mit der verachteten Homosexualität in Verbindung gebracht. Der von Moskau behauptete Untergang der westlichen Zivilisation wird nicht zuletzt auf einen offenen Umgang mit der Homosexualität zurückgeführt. Die Vorherrschaft von Homosexuellen im Westen wird suggeriert. Der Hass gegen LGBTIQ+-Menschen ist virulent und Gewaltangriffe werden stillschweigend geduldet. Von einer Kriminalisierung homosexueller Beziehungen wie in der UdSSR ist zwar noch keine Rede, man will jedoch Homosexualität als „Krankheit“ oder „Perversion“ aus der Öffentlichkeit verdrängen.

Der Kreml ist bemüht, sich zum Vorreiter eines Kampfes für „wahre Werte“ zu stilisieren. Da der russische Druck auf ihn wächst und die Hoffnung auf Verbesserung der Beziehungen zum Westen sinkt, will Lukaschenko nun ebenfalls „Homo-Propaganda“ verbieten und Putin auf seinem „Sonderweg“ begleiten.

Die homophobe Wende in Russland wurde im Westen verurteilt. Zunächst ging man von einer spezifischen „Wachstumskrankheit“ aus, von einem „Überrest der sowjetischen Vergangenheit“ und wies auf den eigenen langen wie steinigen Weg zu Akzeptanz und Gleichstellung hin. Inzwischen nimmt man Putins Werte-Rhetorik ernst.

Die Realität sieht banal aus, ist aber brandgefährlich. Putin und Lukaschenko hassen den Westen und sind gewiss homophob. Ihre Angriffe auf Homosexualität spiegeln ihr rückwärtsgewandtes Weltbild wider. Der antiwestlichen Hetze und insbesondere dem Schwulenhass liegt allerdings ein perfides Macht- und Propagandakalkül zugrunde: Getrieben von Machtgier und Angst vor Freiheit und Demokratie, sind sie auf die Festigung ihrer autoritären Herrschaft bedacht, grenzen die Diktatoren Russland und Belarus als „Hochburgen traditioneller Werte“ vom gefährlichen „schwulen Westen“ ab und knüpfen an die homophobe Stimmung in ihren Ländern an. Dabei versprühen Putin und Lukaschenko das Gift des Schwulenhasses, der LGBTIQ+-Menschen trifft, vor allem aber die Zivilgesellschaft zerstört und den zum Krieg ausgearteten Revanchismus befeuert.

Unter diesen Umständen ist der Kampf gegen Homophobie mehr als Verteidigung der Menschenrechte. Es ist ein Kampf für Freiheit und Demokratie in Russland, in Belarus und in Europa.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist 1979 in Minsk geboren. Alexander Friedman wurde 1979 in Minsk geboren. Der promovierte Historiker lehrt Zeitgeschichte und Osteuropäische Geschichte an der Universität des Saarlandes und an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.