Kosten für Polizeieinsätze: Recht auf Rechnung

In Schleswig-Holstein wird diskutiert, Kosten für Polizeieinsätze bei Demonstrant*innen in Rechnung zu stellen. Andere Bundesländer machen das längst.

Behelmte Polizisten fixieren einen Menschen am Boden

Brauchen Sie einen Kassenzettel? Polizei bei der Durchführung einer kostenpflichtigen Maßnahme Foto: Philipp Schulze/dpa

Worin besteht der Unterschied zwischen einem Fußballspiel und einem Klimaprotest? Ganz einfach: Wer den Polizeieinsatz zahlt. Beim Fußball werden die Kosten auf alle Steu­er­zah­le­r*in­nen umgelegt, denn die Vereine und deren Dachverband Deutsche Fußball Liga (DFL) verweigern sich – auch nach mehreren Gerichtsurteilen, die Bremen recht gaben, das die Kosten als bisher einziges Bundesland an die Klubs durchreicht. Wer aber nicht für ein Millionenhonorar gegen einen Ball tritt, sondern sich gegen den Klimawandel auf die Straße setzt, muss für die „Ingewahrsamnahme“ zahlen.

In immer mehr Bundesländern, darunter Bayern, Hessen und Hamburg, schickt die Polizei Ak­ti­vis­t*in­nen nach einem Einsatz die Rechnung und verlangt Gebühren für Festnahmen, Transport zur Wache oder die „erkennungsdienstliche Behandlung“. Andere Landtage beraten zurzeit, ob sie das zum Vorbild nehmen und selbst auch solche „Wegtragegebühren“ einführen.

Beispiel Hamburg: Im Schnitt rund 145 Euro koste es, sich kurzzeitig festsetzen zu lassen, berichtet der NDR. Der Senat der Hansestadt geht von rund 7.000 Fällen pro Jahr aus und verspricht sich Einnahmen in Höhe von rund einer Million Euro.

Berechnet wird dabei nicht pauschal, sondern nach Stundensätzen: „Wer besser klebt, zahlt mehr“, fasst das Polit-Magazin „Panorama“ zusammen. In Hessen wird entweder besserer Kleber eingesetzt, oder die Be­am­t*in­nen arbeiten langsamer als in Hamburg, denn hier zahlen Demonstrierende im Schnitt rund 215 Euro.

Das ist schlicht Aufgabe der Polizei

Im April beantragte die CDU im niedersächsischen Landtag „eine Wegtrage-Gebühr für sogenannte Klima­kleber“. Das SPD-geführte Innenministerium lehnte ab: Eine ungenehmigte Demo zu beenden, gehöre schlicht zu den Aufgaben der Polizei.

Das sieht auch der Linken-Abgeordnete Deniz Celik in Hamburg so: Hoheitliche Maßnahmen müssten mit Steuergeldern bezahlt werden. Durch die Gebührenpflicht in Hamburg bekäme „man Angst, seine Grundrechte wahrzunehmen“.

Die FDP in Schleswig-Holstein widerspricht. Natürlich „gehört es zu den Grundrechten, sich zu versammeln und zu demonstrieren“, sagte der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz bei der Mai-Tagung. Doch wer „meint, dass man sich an Straßen ankleben und andere blockieren darf, der wird selbst zum Straftäter, weil das eben Nötigung ist.“

Für Jan Kürschner, innen- und rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Kieler Landtag, ist der FDP-Vorstoß dagegen ein „Zündeln mit Drohgebärden gegenüber unliebsamen Protesten“. Bei anderen Demonstrationen, etwa gegen Coronamaßnahmen, seien schließlich auch keine Gebühren gefordert worden. „Wer würde denn noch politische Versammlungen veranstalten oder daran teilnehmen, wenn man danach bezahlen muss?“, fragte Kürschner. Er erinnerte daran, dass der Staat und alle Bundesländer gesetzlich verpflichtet seien, Klimaneutralität zu erreichen: „Das ist geltendes Recht, das es durchzusetzen gilt.“

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Doch in Kiel regieren die Grünen mit der CDU, und für die ist die „Zahlungspflicht bei Polizeieinsätzen denkbar“. Schließlich sei „nicht hinnehmbar, wenn eine kleine Gruppe eine ganze Stadt lahmlegt“, so der Abgeordnete Tim Brockmann. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass die Grünen um des Koalitionsfriedens willen am Ende zustimmen – wie bereits die Grünen in Hamburg, die das Thema „kritisch begleiten“ wollen.

Immerhin darf in der Hansestadt eine Gruppe ganz ohne Angst vor Geldstrafen demonstrieren: Obdachlose sind von der Gebühr ausgenommen. Der Aufwand sei zu groß, die Kosten einzutreiben, befand der Senat.

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Jahrgang 1968. Ist in der taz als Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein zuständig von Flensburg bis Elmshorn, von Fischerei bis Windkraft, von lokalen Streitigkeiten bis Landtagsdebatten. Schwerpunkte: Soziales, Gesundheitspolitik

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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