Solarenergie aus dem eigenen Haushalt: Balkonkraft? Ja bitte

Balkonsolarkraftwerke kann man jetzt auch beim Discounter kaufen. Lohnt sich das? Wie funktionieren die? Und was, wenn der Vermieter sich querstellt?

Balkonkraftwerk an einem Einfamilienhaus

Je teurer der Netzstrom wird, desto rentabler wird ein Balkonkraftwerk Foto: Robert Poorten/imago

Balkonkraftwerke sind im Einzelhandel angekommen. Beim Discounter Lidl gibt es bereits Solarmodule für 200 Euro, Aldi zieht im Juni nach. Lohnen sich die Dinger?

Das kommt vor allem auf die Ausrichtung an. Der Balkon sollte einigermaßen nach Süden orientiert sein und nicht zu viele Stunden am Tag im Schatten liegen.

Lidl gibt für sein 150-Watt-Modul einen Ertrag von „bis zu 100 Kilowattstunden pro Jahr“ an, was an einem vernünftigen Standort auch durchaus zu erzielen ist. Geht man davon aus, dass man den Strom komplett selbst verbraucht und damit Netzstrom ersetzt – dessen Preis mit 35 Cent je Kilowattstunde kalkuliert sei –, lassen sich 35 Euro im Jahr an Stromkosten sparen. Beim Kaufpreis von 200 Euro wäre das Modul somit nach sechs Jahren amortisiert.

Die Rechnung stimmt natürlich nur, wenn man tatsächlich die gesamte erzeugte Strommenge selbst nutzt, um Netzstrom zu ersetzen. Da das aber nicht unbedingt immer gelingt, gelten in der Praxis eher Amortisationszeiten von acht Jahren als realistisch. Aber: Je teurer der Netzstrom wird, desto rentabler wird ein Balkonkraftwerk.

Wie funktioniert eine Balkon­anlage überhaupt?

Solarmodule erzeugen Gleichstrom. Bei klassischen Dachanlagen gibt es einen zentralen Wechselrichter, der den Strom auf die typische Netzspannung von 230 Volt Wechselstrom beziehungsweise 400 Volt Drehstrom bringt. Balkonmodule hingegen sind mit einem kleinen Modulwechselrichter versehen, der mitunter schon integriert ist oder separat mitgeliefert wird. Er liefert die klassischen 230 Volt. Über ein Anschlusskabel, das einfach in die Steckdose gesteckt wird, kann man den Strom dann ins eigene Hausnetz einspeisen und an anderen Steckdosen in der Wohnung zeitgleich nutzen.

Braucht man für die Nutzung des Stroms eine spezielle Einspeisesteckdose?

Das ist ein juristischer Graubereich. Der Elektrotechnik-Verband VDE setzt noch immer auf einen spe­ziel­len Stecker („Wieland-Stecker“), womit ein Austausch der Dose nötig würde. Hingegen finden andere, wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, den normalen Schutzkontaktstecker völlig okay. Nach Erhebungen der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin hat sich der Schukostecker mit rund 75 Prozent Marktanteil ohnehin längst als Standardvariante etabliert, weil er die einfachste und billigste Lösung ist. Einige Anbieter, wie etwa der Baumarkt Obi, verkaufen die Module daher längst mit Schukostecker. Das Bundeswirtschaftsministerium will die Standardstecker – um Rechtssicherheit zu schaffen – gemäß seiner „Photovoltaikstrategie“ nun auch offiziell zulassen.

Muss man sein Balkonkraftwerk anmelden?

Formal muss man auch Balkonkraftwerke beim Netzbetreiber anmelden und im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur registrieren. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wegen des bürokratischen Aufwands werden viele Balkonkraftwerke heute ohne Anmeldung betrieben – sogenannte Guerilla-PV. Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass etwa die Hälfte der Projekte unregistriert ist.

Welche maximale Leistung ist zulässig?

Derzeit sind bis zu 600 Watt pro Stromkreis zulässig. Wahrscheinlich wird die Grenze bald auf 800 Watt erhöht. Diese Anhebung ist auch einer der Punkte in einer Petition von Solarinitiativen, die kürzlich im Petitionsausschuss des Bundestags verhandelt wurde. Bei der Bemessung ist übrigens alleine die Leistung des Wechselrichters relevant; die Leistung der Module kann dann durchaus noch etwas höher sein.

In Zeiten, in denen man den Strom nicht im eigenen Haushalt verbraucht, fließt der Überschuss ins Netz. Was passiert dann?

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Das ist grundsätzlich kein Pro­blem. Man muss allerdings sicherstellen, dass der Stromzähler dann nicht rückwärts läuft, denn das wäre strenggenommen Betrug. Zähler ohne Rücklaufsperre werden zwar wegen der fortschreitenden Erneuerung der Elektroinstallationen immer seltener, doch es gibt sie noch. Ist gesichert, dass der Zähler nicht rückwärts läuft, ist eine Einspeisung zulässig.

Eine Vergütung erfolgt dann aber nicht, dafür bräuchte man einen Einspeisezähler, der sich aber für die oft geringen Überschussmengen eines Balkonmoduls nicht lohnt. Um einen schnellen Anschluss von Balkonmodulen zu ermöglichen, fordern Solarfreunde rückwärts laufende Zähler für eine Übergangszeit zu dulden, wenn der örtliche Netzbetreiber nicht kurzfristig in der Lage ist, den Zähler zu tauschen.

Sind Batterien als Ergänzung sinnvoll?

Anders als bei größeren Dachanlagen, die meist erhebliche Überschüsse erzeugen, bleibt bei Balkonmodulen oft nicht allzu viel Strom übrig, den man speichern könnte. Die Anlagen müssen ja erst einmal die Grundlast in der Wohnung decken, wie etwa den Verbrauch des Kühlschranks. Zudem sind selbst kleine Speicher oft teurer als die Module, das macht sie unrentabel.

Braucht man eine Erlaubnis des Vermieters?

Ja, und oft auch noch eine von der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die kann bislang nämlich die Installation von Balkonmodulen per Mehrheitsentscheid unterbinden. Gehört das Haus einer Wohnungsbaugesellschaft, dann muss man bei dieser anfragen. Es gibt Gesellschaften, die Balkon­module grundsätzlich erlauben, und andere, die sich aus Prinzip querstellen.

Die Rechtslage könnte sich aber bald ändern. Balkonsolar-­Initiativen fordern die Aufnahme von Steckersolargeräten in den Katalog „privilegierter Maßnahmen“ im Gesetz und auch das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits Unterstützung signalisiert. Dann würden Balkonanlagen zum Beispiel mit Ladepunkten für Elektroautos gleichgestellt, die schon heute jeder Bewohner eines Hauses verlangen und auf eigene Kosten installieren lassen darf.

Und wenn mein Vermieter nein sagt?

Dann kann Kreativität helfen. Zu den Bastelideen, die von Balkonsolar-Fans vorgestellt werden, zählt etwa ein Balkontisch, der aus einem Solarmodul mit Beinen besteht. Nutzt man den Tisch als ­solchen, geht zwar zeitweise Strom verloren, in den meisten Stunden des Tages kann der ungenutzte Tisch auf dem Balkon aber Energie einfangen.

Aber ist das nicht alles furchtbar kompliziert, viel zu bürokratisch und spart letztendlich gar nicht so viel ein?

Wenn man ein wenig Interesse an Technik hat, ist das alles halb so wild. Bei der Bürokratie gilt immerhin: Balkonanlagen sind steuerlich irrelevant. Auch größere Anlagen auf dem privaten Hausdach sind inzwischen begünstigt: Seit dem Steuerjahr 2022 müssen Erträge aus PV-Kraftwerken bis 30 Kilowatt bei der Einkommensteuer nicht mehr angegeben werden. Da entsprechend keine Einnahmen-Überschuss-Rechnung mehr erforderlich ist, entfällt Bürokratie. Und es geht ja auch nicht allein ums Geldsparen.

Mit Solarenergie selbst Strom erzeugen macht Spaß und ein gutes Gewissen. Und das ist unbezahlbar.

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