Neue Science-Fiction-Serie „Silo“: 144 Stockwerke unter der Erde

In der dystopischen Serie „Silo“ geht es um viele genretypische Narrative, doch sie überrascht mit einer ungewöhnlichen Dramaturgie.

Eine Frau schaut auf einen Computer, ein Mann in Uniform steht mit einer Kaffetasse hinter ihr

Rashida Jones und David Oyelowo in der Serie Silo Foto: Apple TV

Es ist keine wirklich neue Prämisse, von der „Silo“ ausgeht: In einer mutmaßlich nicht allzu fernen Zukunft hat die Menschheit eine verheerende Apokalypse hinter sich, die die Erde unbewohnbar gemacht hat.

Die wenigen Überlebenden sind, auf engstem Raum und um wesentliche zivilisatorische Errungenschaften gebracht, gezwungen, sich ganz neu eine Gesellschaft aufzubauen, deren Fortbestand nicht selten auf strikten Regeln basiert. So weit, so altbekannt, was dystopische Science-Fiction-Szenarien angeht.

Die Serie, verantwortet von Showrunner Graham Yost („Justified“) und basierend auf einer Romantrilogie von Hugh Howey, leben rund 10.000 Menschen, die mutmaßlich die letzten auf der Welt sind, in einem unterirdischen Silo, das sich 144 Stockwerke tief in die Erde erstreckt.

Oben, wo ein paar Panoramafenster noch den Blick freigeben auf die zerstörte und durch eine toxische Atmosphäre unbewohnbare Außenwelt, leben jene, die das Sagen haben. Es ist eine nicht mehr ganz neue Überlebensgemeinschaft, vom Sheriff über die Bürgermeisterin bis hin zu den Verantwortlichen der Judikative oder dem Leiter der IT-Abteilung.

Je weiter man sich nach unten begibt, desto niedriger wird die soziale Schicht: Ganz unten hausen unter einfachsten Bedingungen jene, die als Me­cha­ni­ke­r*in­nen oder durch das Recyceln von Müll das System am Laufen halten.

Kinder machen erfordert Genehmigung

Das Reglement, das die friedliche Ordnung im Silo aufrechterhalten soll, ist streng. Beziehungen müssen abgesegnet werden, wer Kinder bekommen möchte, braucht dafür eine Genehmigung. Verbote gibt es viele, selbst Fahrstühle und andere Fortbewegungsmittel sind nicht erlaubt, was das Durchbrechen des herrschenden Klassensystems zu einem aufwändigen Kraftakt macht.

Von den Annehmlichkeiten, mit denen ihre Vor­fah­r*in­nen vermutlich einst lebten, wissen die Menschen aber ohnehin nichts mehr: Alle Erinnerungen an die Katastrophe oder die Zeit davor scheinen ausgelöscht; rätselhafte Relikte von früher sind als Besitz so kostbar wie gefährlich.

Doch hin und wieder hinterfragen Einzelne das große Ganze. So wie Allison (Rashida Jones), die überzeugt davon ist, dass der Bevölkerung des Silos die Wahrheit vorenthalten wird, dass sie sich vor aller Augen nach draußen in ihren wohl sicheren Tod verbannen lässt. Für Sheriff Holston (David Oyelowo), ihren Ehemann, gerät daraufhin alles ins Wanken, woran er ein Leben lang geglaubt hat.

Eine Mordermittlung sorgt dafür, dass sein Weg den von Juliette (Rebecca Ferguson) kreuzt, die als verbissene Mechanikerin am Grund des Silos für den Generator verantwortlich ist. Unerwartete Ereignisse und eine persönliche Agenda sorgen dafür, dass sie bald mit ganz neuen Aufgaben betraut wird, bei denen die unermüdliche Suche nach Antworten schnell lebensbedrohlich wird.

Wie die Serie innerhalb der ersten Folgen immer wieder den Fokus von Figur zu Figur verschiebt, bis sich schließlich die wahre Protagonistin herauskristallisiert hat, ist so reizvoll wie ungewohnt. Davon abgesehen kommt einem vieles vertraut vor, nicht nur die sich auf unnötig viele Rückblenden verlassende Erzählstruktur.

Aufbegehren des Individuums

Vom Dystopie-Kauderwelsch bis hin zu den verhandelten Themen kennt man vieles aus ähnlich gelagerten Geschichten, von „Brave New World“ bis „Snowpiercer“.

Das Aufbegehren des Individuums, von dem eigentlich erwartet wird, dass es sich in den Dienst der Masse stellt. Das Ringen um Wahrheit in einer Welt, die auf kollektivem Unwissen und einem System aus Kontrolle und Überwachung basiert.

„Silo“, ab 5. Mai 2023 zu sehen bei AppleTV+

Dass solche Konfliktfelder, über die hier ein düsteres Zukunftsbild entworfen wird, nicht sonderlich neu sind, wiegt „Silo“ damit auf, dass sie dramaturgisch und inszenatorisch stimmig, spannend und beklemmend als eine Art Mordermittlung erzählt werden, unterstützt von einem starken Ensemble und hochkarätigen Ne­ben­dar­stel­le­r*in­nen wie Harriet Walter, Tim Robbins oder Common sowie einem exzellenten Produktionsdesign.

Insgesamt zieht sich der Stoff über zehn Episoden vielleicht allzu langsam hin. Doch atmosphärisch ist das so dicht, dass man kaum abschalten mag. Am Ende sind gerade nur so viele Fragen zu Ursprung und Führung des Silos beantwortet, dass man die nächste Staffel kaum erwarten kann.

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