Jahresbericht Integration und Migration: Klimapass und Klimavisum

Die Klimakrise zwingt weltweit Menschen zur Flucht. Ex­per­t*in­nen fordern, in Deutschland legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen.

Menschen in einem Wüstencamp

Aus Somalia geflüchtete Menschen in einem Camp im kenianischen Dadaab Foto: Thomas Mukoya/dpa

BERLIN taz | Wegen der Klimakrise müssen schon heute Millionen Menschen aus ihren Herkunftsländern fliehen. Um den Betroffenen zu helfen, schlägt der Sachverständigenrat Integration und Migration (SVR) der deutschen Politik vor, einen sogenannten Klimapass einzuführen sowie eine Klimacard und ein Klima-Arbeitsvisum.

Was die Mi­gra­ti­ons­ex­per­t*in­nen sich darunter vorstellen, geht aus ihrem Jahresgutachten hervor, das sie Dienstag in Berlin vorgestellt haben. „Auch wenn der Klimawandel und dessen Folgen globale Herausforderungen darstellen, kommt den Nationalstaaten weiterhin eine maßgebliche Bedeutung zu“, erläutert der SVR-Vorsitzende die Empfehlungen an die Bundesregierung.

Der Sachverständigenrat ist ein unabhängiges wissenschaftliches Gremium, das sich mit Migrations- und Integrationsfragen beschäftigt. Aus dem aktuellen Jahresbericht geht hervor, dass sich die durch den Klimawandel bedingten Fluchtbewegungen nicht von bestehenden Migrationsbewegungen abgrenzen lassen. Die Klimakrise wirke als „Metafaktor“, der insbesondere im Globalen Süden die ohnehin grassierenden sozialen, ökonomischen oder politischen Krisen verschärft und damit immer mehr Menschen zur Flucht treibt.

Hier setzt die Klimacard an, die von den Sachverständigen vorgeschlagen wird. Dieses temporäre Visum soll an Menschen vergeben werden, die ihr Land vorübergehend verlassen müssen, um vor klimawandelbedingten Katastrophen zu fliehen. Dabei brauche es allerdings eine „länderspezifische Kontingentierung“, wie es im Gutachten heißt. Es sollen also nicht alle betroffenen Menschen nach Deutschland kommen dürfen, sondern nur eine bestimmte Anzahl, die vorher festgelegt wird.

Die meisten fliehen in Nachbarländer

Gleichzeitig solle die Bundesregierung auch in „Anpassungsmaßnahmen“ im Herkunftsland investieren, um mittelfristig eine Rückkehr der Klimaflüchtigen zu ermöglichen. Geld brauche es auch für Projekte in Nachbarländer in der Region. Denn nach Europa fliehen nur die wenigsten Menschen, die von Krisen im Globalen Süden betroffen sind. Stattdessen nehmen Nachbarländer den Großteil der Flüchtenden auf.

Das von den Sachverständigen vorgeschlagene Klima-Arbeitsvisum wiederum soll ähnlich wie die Westbalkan-Regelung funktionieren: Menschen aus vom Klimawandel betroffenen Ländern sollen damit nach Deutschland einreisen können, um hier zu arbeiten. Damit würde eine reguläre Einwanderungsmöglichkeit für Personen geschaffen, die sonst potenziell zu Klimaflüchtlingen würden.

Den Klimapass schließlich sollen Menschen erhalten, die aus Ländern kommen, die ihr Territorium wegen des Klimawandels komplett verloren haben. Gemeint sind insbesondere Inselstaaten, die untergehen, wenn der Meeresspiegel wegen der schmelzenden Polkappen ansteigt. Menschen, die von dort kommen, sollen mit dem Klimapass dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen.

Klimapass, Klimacard, Klimavisum?

Laut den Sachverständigen könnte Deutschland mit Klimacard, Klimaarbeitsvisum und Klimavisum zum weltweiten Vorbild werden. Das könnte auch andere Staaten überzeugen, auf klimabedingte Migration mit humanen Maßnahmen zu reagieren.

Tatsächlich sieht es derzeit aber nicht so aus, als ob die Bundesregierung an einer solchen Liberalisierung ihrer Flüchtlingsmigrationspolitik interessiert ist. Zwar soll Arbeitsmigration nach Deutschland mit dem neuen Fachkräftezuwanderungsgesetz erleichtert werden. Separate Regelungen für Menschen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, plant die Bundesregierung aber nicht.

Und liberalere Regelungen für Flüchtlinge sind schon gar nicht in Sicht. Stattdessen stützt die Bundesregierung im Kern das Vorhaben der EU-Komission für eine restriktive Reform der europäischen Asylregeln. Geplant ist etwa, Asylverfahren künftig teils an den EU-Außengrenzen durchzuführen. Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sich die Situation für viele Flüchtlinge dadurch massiv verschlechtern könnte.

Grüne auf Abwegen

Und zuletzt hatten Grünen-Politiker Omid Nouripour angedeutet, seine Partei sei verhandlungsbereit bei der Frage, ob Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer eingestuft werden sollen. Wer aus solchen sicheren Herkunftsländern nach Deutschland flieht, erhält meist kein Asyl und kann leicht abgeschoben werden.

Statt neue Flucht- und Migrationswege zu schaffen, zielt die Bundesregierung also momentan eher darauf ab, möglichst viele Flüchtlinge fernzuhalten.

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