Linken-Kongress in Hannover: Spaltung steht weiter im Raum

Rund 240 Mitglieder der Linken versammelten sich am Samstag in Hannover. Sie machten ihrer Wut auf die aktuelle Parteiführung Luft.

Logo der Partei die Linke an einem Mikrofon

Teile der Linkspartei liebäugeln mit einer Abspaltung Foto: Christoph Soeder/dpa

HANNOVER taz | Sie sendet nur eine kurze Videobotschaft und schafft es trotzdem, die ganze Zeit präsent zu sein. „Die Sahra“, Sahra Wagenknecht, wird von etlichen Rednern herbeibeschworen und zitiert. 240 Genossen haben sich am Samstag in Hannover zum „Was tun?! Die Linke in Zeiten des Krieges“ Kongress versammelt. Aufgerufen dazu hatten die Sozialistische Linke, die AG Frieden und Antimilitarismus und diverse Karl-Liebknecht-Kreise. Und erst einmal sind sie vor allem da, um ihrer Wut und ihrem Frust auf die Parteiführung Luft zu machen.

Es fallen Sätze wie „diese Parteiführung muss weg“, „die Linke hat fertig“, „was haben wir noch zu tun mit all diesen Wellsows und Ramelows“. Dass die Parteiführung von einer Teilnahme an der großen „Aufstand für den Frieden“-Demo von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht im Februar mehr oder minder offen abgeraten hat, war für viele hier der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Als Verrat an ur-linken Positionen, am Erfurter Programm, ja gar als Wiederholung der historischen Spaltung der Arbeiterbewegung am Vorabend des 1. Weltkrieges, wird dies hier gewertet. Mitglieder der Friedensbewegung fühlen sich diffamiert und ausgegrenzt, weil die Veranstaltung als „rechts-offen“ bezeichnet wurde. Dass es in verschiedenen Städten wie beispielsweise in Aachen nun um die Ostermärsche ähnliche Konflikte gab und zum Teil konkurrierende Veranstaltungen, hat den Konflikt noch einmal aktualisiert.

Wie blank die Nerven liegen, zeigt sich auch daran, dass Sevim Dagdelen sich gleich zu Beginn genötigt fühlt, auf den Tweet einer nd-Redakteurin zu reagieren. „Unsere historische Verantwortung ist es, einer Partei, die zur Kriegspartei mutiert, nicht noch Legitimität zu geben“, hatte Dagdelen in ihrer Rede gesagt. Als deutlichen Aufruf zur Spaltung hatte Jana Frielinghaus vom Neuen Deutschland das interpretiert. Was Dagdelen wiederum als „Fake News“ bezeichnete.

Misstrauen überall

Man sucht die Öffentlichkeit und misstraut ihr zugleich. Auch ein Fernsehteam wird mehrfach gebeten, das Filmen im Saal einzustellen, Debattenteilnehmer sollen nicht mit Namen zitiert werden. Man fühlt sich permanent von Feinden umzingelt, beklagt den enger werdenden Meinungskorridor in Deutschland.

Die Antwort auf die Kongress-Frage „Was tun?!“ fällt allerdings auch nicht so eindeutig aus. Die einen plädieren für ein neues Netzwerk innerhalb der Partei, die anderen hoffen auf eine Parteineugründung. Eine Spaltung steht weiter im Raum. Auch Sahra Wagenknecht äußert sich in ihrer Videobotschaft gegen Mittag dazu nicht klarer als in den ganzen letzten Wochen und Monaten schon – obgleich sie viel davon sprach, was für eine linke Partei sie sich wünschen würde.

Der Grundsatzstreit um eine linke Haltung zu Waffenlieferungen und Nato ist untrennbar vermischt mit viel älteren Konflikten. Eine Rückbesinnung auf marxistische und sozialistische Werte wird gefordert. Was auch nicht fehlt: Seitenhiebe auf Bewegungslinke und Pragmatiker, auf „Studenten, die kaum beigetreten, gleich in Ämter gewählt werden“ oder – wie Wagenknecht es ausdrückt – das Sammelsurium an Forderungen vom bedingungslosen Grundeinkommen bis hin zum Menstruationsurlaub, mit dem man die „normalen“ Leute, Arbeiter und Angestellte schon lange verloren habe. Diejenigen, die diesen Wirtschaftskrieg ausbaden müssten, während „andere in ihrem Sabbatical angeblich klimaneutral durch die Welt“ reisten.

Dehm fordert mehr Geld und mehr Disziplin

Auch der in Niedersachsen lange unvermeidliche Diether Dehm, gegen den im Übrigen noch ein Ausschlussverfahren läuft, tritt auf und erklärt schon einmal, wie man es besser machen könnte. Eine neue Partei, meint er, bräuchte mehr Geld und mehr Disziplin, einen streng marxistischen Kader nach innen, aber eine breitere Aufstellung nach außen.

Gleichzeitig äußern mehrere Redner ihre Skepsis, innerhalb der aktuellen Partei noch viel bewegen zu können: Ein Sonderparteitag würde sich genauso zusammensetzen wie der letzte, mahnt ein Redner, man habe innerhalb der Partei keine solide Mehrheit mehr, ein anderer.

Es sind aber längst nicht nur altgediente Genossen und semi-prominente Parteimitglieder, die sich hier äußern. Ans Saalmikro treten auch Menschen, die von sich sagen, noch nicht oder noch nicht lange in der Partei zu sein. Sie eint die Sehnsucht nach klaren linken Positionen, einer eindeutigen oppositionellen Haltung.

Am Ende einigt man sich auf ein Abschlussdokument, das eine Rückkehr zu grundlegenden Aussagen des Erfurter Programmes fordert, ebenso wie einen Mitgliederentscheid zur Friedenspolitik und vage ankündigt, „darüber zu sprechen, welche Chancen es noch gibt, die Linken wieder auf einen antikapitalistischen und friedenspolitischen Kurs zu drehen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.“

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