Autoritäres Regime im Mekong-Staat: Schüsse auf Regierungskritiker

In Laos gibt es einen neuen mutmaßlichen Versuch der tödlichen Repression. Human Rights Watch dementiert eigenen Bericht zum Tod eines Aktivisten.

Portrait Anousa Luangsuphom

Anousa „Jack“ Luangsuphom Foto: Human Rights Watch/privat

BERLIN taz | Der Schütze trug eine helle Basecap und ein weißes Tuch in der Hand. Damit drehte er am vergangenen Samstag gegen 22.30 Uhr den Türknauf des Cafés im Chanthabuly Distrikt der laotischen Hauptstadt Vientiane – offenbar um Fingerabdrücke zu vermeiden. Dann trat der Mann kurz ein, fragte eine Frau an der Tür, drehte wieder um, kehrte zurück und schoss zweimal aus nächster Nähe auf den auf einem Stuhl sitzenden Anousa „Jack“ Luangsuphom. Der im Gesicht und in der Brust getroffene 25-jährige Aktivist fiel zu Boden, der Schütze ergriff die Flucht. All dies zeigen Aufnahmen zweier Überwachungskameras.

Die Schüsse trafen den Betreiber zweier regierungskritischer Facebookseiten am 29. April. Am Mittwoch meldeten verschiedene Quellen, darunter die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch (HRW) und amnesty internatioal, den Tod Anousas im Krankenhaus. Der Fall sorgte über den autoritär regierten sozialistischen Einparteienstaat hinaus für Aufmerksamkeit. Befeuert wurde dies durch die Aufnahmen der Überwachungskameras, die sogar eine staatlich-kontrollierte Zeitung verbreitete.

Doch am Donnerstag berichtete Phil Robertson von Human Rights Watch in einer Rundmail, dass Anousa entgegen der ursprünglichen Meldungen noch lebe: „Anousas Familie und andere Quellen bestätigten Human Rights Watch mündlich und mit Fotos, dass Anousa die Schüsse überlebt hat und jetzt in einem Krankenhaus in Vientiane behandelt wird.“

Zum Hintergrund der Falschmeldung sagte er gegenüber dem Sender Voice of America: „Wir gehen davon aus, dass die Person, die Anousa ins Krankenhaus begleitete und seinen Tod bestätigte, dies tat, um zu verhindern, dass der Killer zurückkommt und sein Werk vollendet.“ Es liege jetzt in der Verantwortung der Regierung, das Opfer zu schützen und den Fall aufzuklären.

Erinnerung an den Fall Sombath Somphone

Am Vortag hatte seine Kollegin Elain Pearson erklärt, der Fall zeige, „dass niemand in Laos sicher ist, der die Regierung kritisiert.“ Anousa betrieb laut amnesty international die regierungskritischen Facebooksteiten „Klub Kluen Duay Keybord“ mit 43.000 Followern und „Sor Tor Lor“ (Die Republik) mit 6.800 Followern. Beide berichten kritisch über soziale, wirtschaftliche, ökologische und politische Themen, über LGBTQI-Rechte und über Menschenrechtsverletzungen in Laos.

Die Regierung des südostasiatischen Binnenlandes mit 7,5 Millionen Einwohnern hat sich noch nicht zu dem Fall geäußert. Sie schränkt bisher die Aktivitäten der Zivilgesellschaft sehr stark ein und lässt so gut wie keine öffentliche Kritik zu. HRW wirft der Regierung in Menschenrechtsfragen regelrecht Apathie vor.

Die Regierung war schon in ähnlichen Fällen passiv geblieben. So war im Dezember 2012 der international hoch angesehene Entwicklungsexperte Sombath Somphone inmitten der Hauptstadt Vientiane an einem Polizeicheckpoint entführt worden. Bis heute fehlt von ihm jede Spur.

Auch in dem Fall hatte eine Überwachungskamera die Tat aufgezeichnet. Sie filmte, wie Sombath von Polizisten angehalten wurde, aussteigen musste und dann zu einem anderen Auto geführt wurde, das mit ihm verschwand.

Die Behörden dementierten die Polizeikontrolle und den Fall zunächst, verwickelten sich aber dann in Widersprüche. Doch waren sie trotz großen diplomatischen Drucks überhaupt nicht gewillt, den Fall aufzuklären.

Im August 2019 verschwand der ins thailändische Bangkok geflohene laotische Aktivist Od Sayavn von dort spurlos. Er hatte sich zuvor bei einem Treffen mit dem UN-Sonderberichterstatter zu Armut und Menschenrechten um eine Aufnahme in ein Drittland bemüht, bevor er mutmaßlich entführt wurde. Die Regierung verneinte jegliches Wissen über den Fall.

Drei Aktivisten, die im Dezember 2015 vor der laotischen Botschaft in Bangkok friedlich demonstriert hatten, wurden in Laos im März 2016 in einem Verfahren ohne Beteiligung der Öffentlichkeit zu Haftstrafen zwischen 12 und 20 Jahren verurteilt.

Passivität lenkt Verdacht auf die Regierung

„Wird jetzt nichts unternommen, werden die Leute annehmen, dass die Regierung etwas mit dem Mordfall zu tun hat“, sagte Robertson von HRW am Mittwoch, als er noch vom Tod Anousas ausging. „Bisher wissen wir nicht, wer dahinter steckt.“

In den letzten Monaten erlebte Laos wegen hoher Inflation und Währungskrise eine ungewöhnliche Welle der Kritik an der Regierung der seit 1975 regierenden Laotischen Revolutionären Volkspartei. Auslöser waren eine Inflation von über 40 Prozent sowie eine drohende Überschuldung. Im Dezember war Regierungschef Phankam Viphavanah nach nicht einmal zwei Jahren im Amt zurückgetreten.

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