Krieg in Sudan: Ein verhinderbarer Krieg

Viel zu oft wacht die internationale Gemeinschaft viel zu spät auf. Rechtzeitige Intervention hätte das Blutvergießen in Sudan aufhalten können.

Jubelnde Menschen

Freude in Khartum im Juli 2019, als sich die Sudanesen Hoffnung auf freie Wahlen machten Foto: Mohamed Nureldin Abdallah/reuters

Wir hätten heute keinen Krieg in Sudan, hätte die internationale Gemeinschaft und auch Europa die drohenden Anzeichen dafür früher wahrgenommen. Nach dem Sturz des Langzeitdiktators Omar al-Bashir 2019 war es die sudanesische Massenprotestbewegung, die dem Militär damals ein Übergangsabkommen abgetrotzt hatte, in dem die Männer mit den Waffen innerhalb von drei Jahren ihre Macht an eine zivile Regierung übergeben sollten, um anschließend demokratische Wahlen abzuhalten.

Es war ein Sieg der arabischen Zivilgesellschaft, in Zeiten, als die arabischen Autokraten in anderen Staaten der Region nach dem Arabischen Frühling das Rad mit Hilfe ihrer Repression schon längst wieder zurückgedreht hatten. Die sudanesische Protestbewegung hatte das praktisch allein geschafft. International interessierte sich damals kaum jemand für Sudan.

Mit Ausnahme der autokratischen arabischen Staaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten, die mit allen Mitteln sicherstellen wollten, dass es in Sudan kein demokratisches Experiment geben wird. Ihnen überließ die internationale Gemeinschaft die Einflussnahme auf Sudan fast komplett und warf damit die Protestbewegung den Generälen zum Fraß vor.

Selbst als dann das Militär ihres Chefs Abdelfattah Burhan und dessen Stellvertreter und Paramilitärkommandant Mohammed Hamdan Dagalo, alias Hemetti, sich im Oktober 2022 wieder an die alleinige Macht putschten, blieb die internationale Reaktion verhalten. Die weltweite Pandemie und später der Ukrainekrieg beschäftigte die Gemüter. Wen kümmerte Sudan. Es gab keine ernsthafte Sanktionierung der Putschisten. Man ließ sich durch die Hinhaltetaktik und die Lippenbekenntnissen der Generäle im Sudan einlullen, dass sie irgendwann die Macht abgeben werden.

Humanitäre Katastrophe

Und man ließ Ägypten und die Emirate gewähren, ihre jeweiligen Generäle zu unterstützen. Dass die sich irgendwann einmal gegenseitig an die Kehlen gehen und um die Alleinherrschaft kämpfen werden, war absehbar. Nun ist es zu spät. Der Krieg führt jeden Tag mehr zu einer humanitären Katastrophe. Doch auch das wird langsam ad acta gelegt, denn die eigenen Staatsangehörigen sind evakuiert.

Aufwachen werden dann alle, wenn eintreffen wird, wovor das UN-Flüchtlingswerk UNHCR heute schon warnt: dass der Konflikt über 800.000 Flüchtlinge produzieren könnte. Wenn die sich dann nicht nur in die afrikanischen Nachbarländer, sondern auch nach Europa aufmachen, wird der Aufschrei groß sein. Haltet sie ab, haltet sie ab, werden sie rufen.

Derweil hätte man das alles verhindern können, hätte man die zivile sudanesische Protestbewegung und ihren Kampf um Veränderung ernsthaft unterstützt, die Putschisten sanktioniert und die arabischen Autokraten gewarnt, von Sudan ihre Finger zu lassen. Das wäre eine aktive europäische Außenpolitik gewesen. Stattdessen werden wir einmal mehr auf die nächste Flüchtlingswelle aus Afrika reagieren und auch das eher hilflos.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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