Lesekompetenz von Grund­schulkindern: Der politische Wille fehlt

Die Iglu-Studie zeigt: Chancengerechtigkeit besteht nur auf dem Papier. Auch Lehrer:innen sollten sich an die eigene Nase fassen.

Ein Maedchen liest ein Buch

Ein Viertel der 10-Jährigen kann das Lesevergnügen nicht teilen Foto: Begsteiger/imago

Falls irgendjemand noch Zweifel am Ausmaß der deutschen Bildungsmisere gehabt haben sollte – die Ergebnisse der Lesestudie Iglu dürften sie ausräumen. 25 von 100 Viert­kläss­le­r:in­nen verfehlen die Mindeststandards beim Lesen. Im internationalen Vergleich ist Deutschland – das im Jahr 2001 auf einem Spitzenplatz eingestiegen war – immer weiter ins Mittelfeld abgerutscht.

Diese Entwicklung wäre schon besorgniserregend genug – doch es kommt noch dicker. Denn die Lesestudie bestätigt, was zuletzt auch der IQB-Bildungstrend oder der Chancenmonitor angeprangert haben: dass die Aufstiegschancen, die die Bil­dungs­mi­nis­te­r:in­nen dem deutschen Bildungssystem bescheinigen, nur auf dem Papier existieren.

Die traurige Realität ist, dass unser Schulsystem weiter rigoros Kinder aus sozial benachteiligten Familien bei der Weichenstellung „Gymnasium oder nicht“ aussortiert. Übrigens auch, weil Leh­re­r:in­nen bis heute Gymnasialempfehlungen nicht allein nach Leistungen aussprechen, sondern auch nach Elternhaus. Die fehlende Sensibilität einiger Lehrkräfte ist vielleicht das Niederschmetterndste an dem ganzen Befund.

Die gute Nachricht ist: Dagegen kann man vorgehen. Genauso wie gegen die – in der Studie festgestellte – zu geringe Lesezeit an Grundschulen. Für beides braucht es aber politischen Willen. Die Reaktionen der zuständigen Mi­nis­te­r:in­nen zeigen, dass sie die Bildungsmisere nicht mehr beschönigen. Immerhin. Jetzt müssen sie beweisen, dass sie es auch ernst meinen mit der Chancengerechtigkeit. Dazu gehört, in der Leh­re­r:in­nen­aus­bil­dung mögliche eigene Vorurteile zu thematisieren. Aber auch, den Grundschulen – und Kitas – mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Das Startchancenprogramm der Ampel könnte ein erster richtiger Schritt sein, sofern die Mittel nach sozialen Kriterien verteilt werden.

Gleichzeitig sollten die Länder mehr Möglichkeiten des längeren, gemeinsamen Lernens an weiterführenden Schulen schaffen. Damit die Weichenstellung nach der Grundschule nicht wie jetzt oft aufs Abstellgleis führt.

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Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.

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