Segelregatta „Ocean Race“: Rennen mit Verletzungsgefahr

Beim "Ocean Race" liefern sich die drei besten Boote ein enges Rennen. Zwei Mastbrüche zeigen auch, dass mit den größeren Crews härter gesegelt wird.

Segelboot beim Rennen im Vordergrund und eines im Hintergrund

Gewaltige Belastungen für die Crew: das US-Team 11th Hour Racing beim Ocean Race Foto: Nic Bothma/reuters

Am Samstag hat das Boot Guyot Environment – Team Europe fünfeinhalb Tage nach seinem Mastbruch im Nordatlantik Halifax an Kanadas Ostküste erreicht. Auf der Rennyacht war im Sturm 600 Seemeilen vor dem vorgesehenen Zwischenstopp in Newport (USA) nur noch ein Maststummel stehen geblieben. Daraus bastelte die Crew um den französischen Skipper Benjamin Dutreux und den Berliner Co-Skipper Robert Stanjek ein Notrigg. Damit wurden immerhin noch 5,5 Knoten Geschwindigkeit erreicht, das Tempo einer kleinen Fahrtenyacht.

Bis Montag will das Team entscheiden, ob es weiter teilnimmt. Die Chancen sind gering. Die Crew hatte bereits die an Australien entlangführende längste Etappe von Südafrika nach Brasilien wegen eines Schadens im Rumpf aufgeben müssen. Jetzt müssten unter extremem Zeitdruck Mast und auch neue Segel gefertigt werden, was logistisch kaum zu schaffen ist.

Zugelassen ist in dieser Imoca-Bootsklasse nur ein Einheitsmast. Doch der einzig noch existierende Ersatzmast wird bereits von dem Schweizer Boot PRB Holcim unter Skipper Kevin Escoffier beansprucht und ist auf dem Weg nach Newport. Dort wird am 21. Mai die Etappe der Atlantiküberquerung gestartet. PRB Holcim dürfte den Mast noch in letzter Minute montiert bekommen. Das Team hatte Glück im Unglück, als der bisherige Mast schon kurz nach dem letzten Stopp im brasilianischen Itaquí brach und damit früh genug, um den Ersatz zu organisieren.

Bei dem Mastbruch hatte PRB Holcim geführt. Skipper Escoffier, dessen Boot schon bei der letzten Nonstop-Soloregatta um die Welt (Vendée Globe) auseinandergebrochen und innerhalb weniger Minuten gesunken war, nahm den Mastbruch mit der Bemerkung „So ist das Leben“ erstaunlich gelassen zur Kenntnis.

Diskussion über Einheitsmasten

Er führt mit seinem Team auch jetzt noch das am 15. Januar in Alicante gestartete 14. Ocean Race an. Doch konnten das deutsche Boot Malizia Seaexplorer des Hamburger Skippers Boris Herrman und das US-Team von 11th Hour Racing mit Skipper Charlie Enright jetzt bis auf einen Punkt aufschließen. Damit liegen nach vier Fünfteln der Gesamtstrecke die ersten drei Teams wieder fast so dicht zusammen, als wären sie noch nicht gestartet. Das Rennen leidet allerdings unter dem Negativrekord von nur fünf teilnehmenden Booten.

Die Alternative Mit dem Golden Globe Race 2022/23 gab es neben dem Ocean Race gerade eine weitere Regatta um die Welt. Sie erinnerte an das allererste Nonstop-Solo-Weltumsegelungsrennen von 1968/69, dessen erstes Revival es 2018 gab. Jetzt durfte wieder nur auf alten Konstruktionen von 10 bis 11 Meter Länge ohne moderne Navigationsmittel gesegelt werden.

Die Siegerin Nach 233 Tagen und 30.000 Seemeilen allein auf See erreichte Kirsten Neuschäfer am 27. April das Ziel im französischen Les Sable-d’Olonne. Die Südafrikanerin gewann damit als erste Frau eine Regatta um die Welt und hatte dabei noch einen Konkurrenten aus Seenot gerettet.

Die Konkurrenz Zweiter wurde der Inder Abhilash Tomy. Er hatte sich vor fünf Jahren bei der Durchkenterung seiner Yacht so schwer den Rücken verletzt, dass er tagelang bewegungsunfähig auf Rettung warten musste. Am Freitag erreichte der Österreicher Michael Guggenberger 15 Tage nach Neuschäfer als Dritter und Letzter das Ziel. 13 Teilnehmer hatten aufgegeben. (han)

Zwar ist ein Mastbruch auf Segelyachten nicht ungewöhnlich, doch haben die in der Imoca-Klasse aus Kostengründen eingeführten Einheitsmasten jetzt in der Segelszene Diskussionen über ihre Stabilität ausgelöst. Als die Masten vor Jahren konstruiert wurden, wurden die Imoca nur einhand, also nur von einer Person, gesegelt und hatten kaum Tragflächen, sogenannte Foils.

Doch jetzt segeln vier Personen (davon mindestens eine Frau. Hinzu kommt noch ein Videoreporter, der aber nicht ins Segelgeschehen eingreifen darf). Mit größeren Crews werden Boote härter gesegelt und erreichen mit Foils, welche den Rumpf aus dem Wasser heben, höhere Geschwindigkeiten. Werden die Rennmaschinen dann etwa abrupt abgebremst, wenn sie in eine Welle krachen, müssen die Masten extreme Kräfte aushalten.

Hoch erfreut über Etappensieg

Extrem spannend waren bisher die Zweikämpfe, wie sie auch jetzt wieder kurz vor dem Zwischenziel Newport stattfanden. Per Satellitentracker im Internet konnten die weltweiten Zuschauer verfolgen, wie die Führung zwischen Malizia und 11th Hour Racing 17-mal wechselte, bevor das US-Team mit nur 10 Seemeilen Vorsprung gewann. Schon am Ende der vorigen 12.750-Seemeilen-Etappe hatte es einen ähnlichen Zweikampf zwischen Malizia und PRB Holcim gegeben. Herrmann war hoch erfreut über seinen Etappensieg mit dem neuen Boot, das insbesondere für die harten Konditionen im südlichen Ozean konstruiert worden war.

Die Skipper nutzen das Ocean Race als Test für die Vendée Globe. Herrmann fuhr allerdings jetzt schon die zweite Etappe nicht selbst mit. Die erste Pause hatte er wegen einer Verletzung machen müssen. Die Rennen sind in dem lauten und immer wieder unerwartete und harte Bewegungen machenden Rumpf extrem stressig und den Seglerinnen und Seglern droht Verletzungsgefahr. So war etwa Hermanns niederländische Teamkollegin Rosaline Kuiper schlafend aus ihrer Koje katapultiert worden. Eine Gehirnerschütterung samt Platzwunde waren die Folge, die ärztlich verordnete Ruhe konnte sie nicht einhalten. Bei den späteren Mastbrüchen der anderen Teams wurde zum Glück niemand verletzt.

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