Christian Schmidt in Bosnien-Herzegowina: Der gordische Knoten ist zerschlagen

Christian Schmidt stellt sich gegen die Nationalisten. Damit hebt der hohe Repräsentant eine Blockade auf, die er einst selbst geschaffen hat.

Ein Mann spricht mit erhobener Hand

Löst den gordischen Knoten, zumindest in einem Teil Bosnien-Herzegowinas: Christian Schmidt Foto: Dado Ruvic/reuters

SPLIT/SARAJEVO taz | Lange war die Entscheidung erwartet worden. Jetzt hat der Hohe Repräsentant in Bosnien und Herzegowina, der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt, in die Regierungsbildung der Föderation Bosnien und Herzegowina (FBiH) eingegriffen.

Die FBiH ist der bosniakisch-kroatische Landesteil des Staates Bosnien-Herzegowina. Damit hat er offenbar einen gordischen Knoten zerschlagen: Die mehr als fünf Jahre andauernde Blockade der politischen Institutionen in dem Landesteil wurde so aufgehoben. Mit einer am Donnerstagabend erlassenen Erklärung ist nun festgelegt, dass eine neue Regierung gebildet werden kann.

Nach dem Machtwort Schmidts kann das Parlament der Föderation Bosnien und Herzegowina den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei (SDP), Nermin Nikšić, nun zum Ministerpräsidenten zu wählen. Mit dieser Entscheidung wird vor allem die Macht der muslimischen Partei der demokratischen Aktion(SDA) beschnitten, aber auch der Einfluss der nationalistischen Partei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) im Teilstaat bestätigt. Die nichtnationalistischen Parteien unter der Führung der Sozialdemokraten können sich außerdem über einen nicht unerheblichen Machtzuwachs freuen.

Die Blockade, die Schmidt nun auflöste, hatte er durch umstrittene Änderungen der Verfassung und der Wahlordnung im vergangenen Oktober selbst heraufbeschworen. Vertreter der kroatischen und bosniakischen National-Parteien HDZ und SDA erhielten dadurch das entscheidende Gewicht in den Gremien und blockierten sich gegenseitig. Eine Übereinkunft galt nur dann als beschlossen, wenn sowohl Präsident als auch Vizepräsident beider Parteien zustimmten.

SDA verliert Pfründen, HDZ profitiert weiter

Mit der nun von Schmidt verordneten Gesetzeslage sind drei Seiten beteiligt: die kroatischen Nationalisten, die bosniakische Nationalpartei und die Nichtnationalisten unter der Führung der Sozialdemokraten. Damit werden 2-zu-1-Entscheidungen möglich.

Politisch bedeuten die Entscheidungen der letzten Tage, dass die im bosniakischen Lager seit 1993 führende SDA einen bedeutenden Machtverlust hinnehmen muss. Ihre Kader verlieren bedeutende Pfründen im Staate. Die Partei hat in den letzten Jahren immer mehr an Renommee eingebüßt und wurde zuletzt vor allem noch als Maschine für korrupte Aufsteiger wahrgenommen.

Symbol dafür ist Sebija Izetbegović, die Frau des Parteichefs Bakir Izetbegović, die mit gefälschten Diplomen und Titeln zur Chefin des früher sehr renommierten Koševo-Krankenhauses in Sarajevo aufsteigen konnte. Unter dem Mantel der Religion suchten zudem viele Parteimitglieder Einfluss im Staate und Institutionen zu erreichen und demontierten so den recht positiven Ruf des „europäischen“ bosnischen Islam.

Profiteure der Entscheidung Schmidts bleiben wohl nach wie vor die kroatischen Nationalisten unter Führung des Ablegers Kroatisch Demokratische Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina (HDZ BiH) der HDZ. In Ungarn, Polen und anderen Ländern Europas wollen rechte und konservative Parteien in der HDZ ein Bollwerk gegen den Islam sehen. Ihr Parteiführer, der in vielen Skandalen und Korruption verstrickte Dragan Čović, erfährt Unterstützung und Wohlwollen sogar im Europaparlament.

Es profitiert jedoch auch die in der Hauptstadt Sarajevo tonangebende Troika aus SDP, der linksliberalen Naša Stranka („Unsere Partei“) und der von der SDA abgespaltenen Partei Narod i Pravda („Volk und Wahrheit“) sowie einige kleinere Parteien von der Entscheidung Schmidts. Sie bekommen nun die Gelegenheit, ihre Reformvorstellungen in der Föderation umzusetzen. Ihnen zu Hilfe kommt auch das Gesetzespaket gegen Korruption, das Christian Schmidt durchsetzen will. Will Schmidt erfolgreich sein, müsste er in Zukunft auch die demokratischen Positionen in der Republika Srpska, dem serbisch dominierten Teilstaat in Bosnien und Herzegowina stärken.

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