Neues Gesetz für die Bundespolizei: Mit Quittung gegen Racial Profiling

Innenministerin Faeser will neue Befugnisse für die Bundespolizei – und eine Kenn­zeichnungs­pflicht. Sie spricht von „Modernisierung“.

Menschen im Park, darunter zwei Polizisten

Menschen wie hier in Stuttgart müssten die Beamten künftig „konspiratives Verhalten“ bescheinigen Foto: Arnulf Hettrich/imago

BERLIN taz | Monatelang hatte die Ampel um das neue Bundespolizeigesetz gerungen, nun legte Bundesinnenministerin Nancy Fae­ser (SPD) einen Gesetzentwurf vor. Die Bundespolizei soll künftig neue Befugnisse bekommen – und eine Kennzeichnungspflicht. Auch Racial Profiling soll vorgebeugt werden, indem die Beamten künftig Kontrollquittungen ausstellen sollen.

Faeser spricht von der „Modernisierung eines der wichtigsten Sicherheitsgesetze unseres Landes“. Das Bundespolizeigesetz stammt in weiten Teilen noch aus dem Jahr 1994. Nun soll die Bundespolizei gleich eine Reihe neuer Befugnisse bekommen, wenn schwere Straftaten drohen: Erhebungen von Bestands- und Verkehrsdaten, Telekommunikationsüberwachung, den Einsatz mobiler Videosensoren oder technische Mittel gegen Drohnen. Auch das Überwachen von Wohnräumen soll in bestimmten Fällen erlaubt werden. Zudem sollen die Bundespolizei künftig ein Aufenthaltsverbot von bis zu drei Monaten für bestimmte Orte verhängen können, wenn sie befürchtet, dass dort Betroffene schwere Straftaten planen.

Bei den Befugnissen gibt es in der Ampel indes noch Redebedarf. So soll Justizminister Marco Buschmann (FDP) nach taz-Informationen etwa bei der Wohnraumüberwachung Bedenken angemeldet haben. Den Wunsch der Bundespolizei, auch verschlüsselte Telekommunikation überwachen oder automatische Gesichtserkennung vornehmen zu können, ließ dagegen auch Fae­ser letztlich außen vor. Dies hatte bereits der Ampelkoalitionsvertrag ausgeschlossen.

Kennzeichnungspflicht nun auch im Bund

Neu ist auch eine Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei. Diese gibt es bereits in den meisten Bundesländern, mit Namensschild an der Uniform oder einer Zahlenreihe. Für die Bundespolizei soll Letzteres gelten. Laut Gesetzentwurf soll damit Bürgernähe geschaffen und geholfen werden, Straftaten von Polizeibeamten aufzuklären. Die Union spricht dagegen von einem Generalverdacht gegen die Beamten.

Faeser will zudem, dass alle neuen Bun­des­po­li­zis­tIn­nen verpflichtend eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen – bisher war dies nur für Bedienstete mit besonders sicherheitssensiblen Aufgaben der Fall. Faeser will so verhindern, dass Extremisten in den Dienst kommen.

In der Ampel war aber vor allem das Thema Racial Profiling lange strittig. Die Grünen hatten darauf gedrungen, diese Praxis im Gesetz ausdrücklich auszuschließen. Gemeint sind Kontrollen allein aufgrund der Hautfarbe – was eindeutig rechtswidrig ist. Anders sieht es aus, wenn ethnische Merkmale nur Teil eines Motivbündels der kontrollierenden Po­li­zis­t:in­nen sind. Dann kann die Kontrolle unter Umständen zulässig sein, so die bisherige Rechtsprechung.

Für die Bundespolizei ist das Thema Racial Profiling besonders heikel, weil sie zur Verhinderung der „unerlaubten Einreise“ anlasslose Kontrollen etwa in Zügen oder im Grenzgebiet durchführen darf. In Fae­sers Gesetzentwurf heißt es nun, die Auswahl von kontrollierten Personen anhand von ethnischen Kriterien sei „unzulässig“, wenn sie „ohne sachlichen, durch den Zweck der Maßnahmen gerechtfertigten Grund“ erfolgt. Der sachliche Grund können „Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung“ sein, aber nur „in Verbindung mit aktuellen Erkenntnissen oder Prognosen“. Die Formulierung geht auf eine Einigung der drei Ampelabgeordneten Sebastian Hartmann (SPD), Irene Mihalic (Grüne) und Manuel Höferlin (FDP) von Ende April zurück.

In Bremen werden Quittungen kaum nachgefragt

Welche Wirkung die Formulierung in der Praxis haben wird, dürfte auch von den Gerichten abhängen, wenn Betroffene gegen vermeintlich rassistische Kontrollen klagen. Praktische Bedeutung dürfte auch eine zweite Regelung haben, die ebenfalls die drei Ampelabgeordneten aushandelten. Danach ist jedem anlasslos Kontrollierten künftig eine Kontrollbescheinigung anzubieten, auf welcher der Grund für die Auswahl der Person anzugeben ist.

Vorbild ist hier eine Regelung, die 2021 in Bremen eingeführt wurde. Bei Identitätsfeststellungen durch die Polizei an besonders kriminalitätsbelasteten „Kontrollorten“ ist dort den Betroffenen eine Quittung anzubieten. Als Grund kann etwa vermerkt werden „Ansprechen offenbar unbekannter Personen“ oder „erkennbar konspiratives Verhalten“.

Die Betroffenen in Bremen legen bislang aber wenig Wert auf solche Bescheinigungen. Im Jahr 2021 wurden 8 ausgestellt, 2022 waren es 36 und 2023 bisher eine. Insgesamt gab es in Bremen in diesem Jahr laut Polizei aber auch nur acht Kontrollen an Kontrollorten. Bei der Bundespolizei geht es dagegen um millionenfache Kontrollen jedes Jahr. Wenn ein schwarzer Bahnfahrer nachweisen kann, dass er ständig kontrolliert wird, dürfte das seine Chancen bei einer Klage deutlich erhöhen.

Die Union kritisiert den Vorstoß

SPD-Innenpolitiker Hartmann begrüßte den Kompromiss beim Racial Profiling als „pragmatische Regelung“. „Der Weg für die lange überfällige Novelle des Bundespolizeigesetzes ist endlich frei.“ Diese sei „aufgrund neuer Herausforderungen dringend geboten“.

Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Mihalic betonte, dass heute zahlreiche People of Color und Menschen mit Migrationsgeschichte von Racial Profiling betroffen seien. Mit dem Gesetzentwurf schaffe man bei den Polizeikontrollen nun Rechtssicherheit und ein Diskriminierungsverbot. „Die Einführung von Kontrollquittungen ist ein echter Erfolg für die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern.“

Die Union hatte die Gesetzespläne dagegen zuletzt kritisiert und mehr Überwachungsbefugnisse für die Bundespolizei eingefordert. Über die Länder kann sie nun noch Druck machen – das Gesetz bedarf der Zustimmung durch den Bundesrat.

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