Erster Bürgerrat für Ernährung: Was gibt es zu essen?

Demnächst soll der erste offizielle Bürgerrat den Bundestag beraten. Es geht um die Frage, wie weit der Staat in die Ernährung eingreifen darf.

schielendes Schwein auf Vollspaltenboden

…Fleisch oder kein Fleisch? Auch darauf könnte der neue Rat eine Antwort finden Foto: Sina Schuldt/dpa

BERLIN taz | Essen ist eines dieser Themen, über die schnell ein Kulturkampf ausbrechen kann. Darf bei einem bayerischen Weinfest keine Bratwurst angeboten werden? Manche Konservative wähnen Deutschland auf dem Weg in die Veggie-Diktatur. Die Grundsätzlichkeit des Themas und das Polarisierungspotenzial haben dazu beigetragen, dass über „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ wohl bald der erste ausgeloste Bürgerrat offiziell beim Bundestag tagt.

In diesem September sollen die Beratungen starten. „Dem Bürgerrat gehören 160 Personen an, die nach dem Zufalls­prinzip aus allen Menschen über 16 Jahren mit Erstwohnsitz in Deutschland ausgewählt werden“, heißt es im Einsetzungsbeschluss, der der taz vorab vorlag. Wahrscheinlich werden die Teil­neh­me­r:in­nen aus den Melderegistern ausgelost.

Wobei die Organisatoren darauf achten müssen, dass eine gewisse Repräsentativität nach „Alter, Geschlecht, regionaler Herkunft, Gemeindegröße und Bildungshintergrund“ gewährleistet ist. Auch Vegetarier und Veganer sollen mitwirken. In seinen mehrmonatigen Beratungen wird das Gremium mit professioneller Moderation und wissenschaftlicher Expertise unterstützt.

Bürgerräte sind ein Verfahren der demokratischen Partizipation, mit dem es unter anderem Erfahrungen auf kommunaler Ebene und in Staaten wie Österreich, Schweiz und Schweden gibt. Anfang 2021 fand probeweise ein bundesweiter Bürgerrat zu „Deutschlands Rolle in der Welt“ unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) statt.

Versammlung soll beraten, nicht entscheiden

Die jetzt auszulosende Versammlung soll beratende, keine entscheidende Funktion haben. Die Be­für­wor­te­r:in­nen versprechen sich davon mehr Bürgernähe der Politik. Ein Konsortium aus der Organisation Mehr Demokratie und drei Firmen hat nach einer Ausschreibung des Bundestages den Zuschlag für die Durchführung des Bürgerrats erhalten. Insgesamt kostet das etwa drei Millionen Euro.

Die Abstimmung im Bundestag ist für diesen Mittwoch anberaumt. Bis Dienstag wurde der Einsetzungsbeschluss von SPD, Grünen, FDP und Linken getragen. Die Union ist zwiegespalten. Einerseits will man sich nicht dem Votum des Altvorderen Schäuble entgegenstellen, andererseits bezweifeln konservative Abgeordnete die Legitimation ausgeloster Bürgerversammlungen zur Beratung der Politik. Zu ihrer Skepsis trägt bei, dass die Klimaprotestorganisation Letzte Generation einen Bürgerrat fordert, um den Kohlendioxidausstoß schnell zu beenden.

Kennzeichnung, Klima, Kosten

Zum Thema Ernährung steht im Beschlusstext unter anderem: „Der Mehrwert des Bürgerrates für den Deutschen Bundestag besteht darin, ein genaues Bild davon zu bekommen, welche Maßnahmen die Bürgerinnen und Bürger für eine gesündere und nachhaltigere Ernährung wünschen oder welchen Beitrag sie selbst dafür bereit sind zu leisten.“ Die Debatten sollen sich unter anderem um die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Tierwohl, Auswirkungen der Landwirtschaft auf das Klima, Steuern auf Nahrungsmittel und Lebensmittelverschwendung drehen.

Im Ältestenrat des Bundestages, der die Entscheidung vorbereitete, standen auch andere Themen zur Auswahl. So schlug die Union das soziale Pflichtjahr für alle jungen Erwachsenen vor, die FDP wollte über die alternde Gesellschaft beraten lassen. Koalition und Linke entschieden sich schließlich für das Ernährungsthema.

Wenn die 160 Leute ihre gemeinsame Stellungnahme Anfang 2024 vorlegen, wird das Plenum des Bundestages darüber diskutieren. Dann wandert das Bürger:innen-Votum zur weiteren Beratung in den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. An die Empfehlungen der Bür­ge­r:in­nen gebunden ist er nicht.

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