Kein CO2-Budget mehr für die Alten: Die Ungnade der späten Geburt

Als unser Autor jung war, war er schon öko. Trotzdem hat er viel vom globalen CO2-Budget verbraucht. Der Rest gebührt deshalb den heutigen Jungen.

Ein Flugzeug am Himmel

Was waren wir früher unterwegs – und heute? Flugzeug nach dem Start in Düsseldorf Foto: Federico Gambarini/dpa

Es ist Zeit, den Sommerurlaub zu planen. Ich schimpfe also mal wieder ein bisschen auf Freunde, die ihre freie Zeit zwischen den Flughäfen von Bali, Mauritius, Kuba oder Ägypten verbringen. Und schwelge in den Vorzügen von Chemnitz, Ludwigshafen und dem schienengebundenen Fernverkehr. Da sagt meine Tochter: „Weißt du, Papa, eigentlich ist es auch ganz schön, mal fremde Länder zu sehen und da Abenteuer zu erleben.“

Was soll ich sagen: Sie hat recht. Nicht nur, weil sie Jura studiert. Sondern weil sie 21 ist und ihr CO2-Fußabdruck verglichen mit einem Boomer aus meiner Generation auf Kinderschuhgröße ist. Selbst im Vergleich zu einem flügehassenden Klimafanatiker wie mir sieht ihre Bilanz relativ sauber aus. Was waren wir ihn ihrem Alter unterwegs, auch wenn wir zur Ökoszene gehörten, die nicht zum Partywochenende nach Malle flog: Aber alle paar Jahre auf einen Sommer in den USA gespart, mit dem ersten Kind für zwei Wochen im Winter nach La Gomera geflohen, Recherchereisen nach Indonesien, China, Brasilien. Aber wenn jetzt bei uns Urlaubspläne gemacht werden, denke und sage ich: Nee, geht nicht, da müssten wir ja fliegen!

Von der „Gnade der späten Geburt“, die noch Bundeskanzler Helmut Kohl für seine Nachkriegsgeneration reklamierte, hat die jetzige junge Generation beim Thema Klima- und Nachhaltigkeitspolitik gar nichts. Wir Älteren haben die Gnade der frühen Geburt ausgenutzt: Wir haben das Buffet leergefressen, wenn es um das globale Budget für Treibhausgase, Plastikscheiß an jeder Ecke und Artenmord per Lieferkette geht.

Die großen Krisen der Nachhaltigkeit tragen eine unglaubliche Ungerechtigkeit in sich: Zwei Generationen in den Industrieländern haben dem Globalen Süden, den Armen überall auf der Welt und den Generationen ihrer Kinder und Enkel die Grundlagen des guten Lebens ruiniert. Und weil das so ist, muss jede Form von Gerechtigkeit allen Menschen über 40 in den klassischen Industriestaaten eine ökologische Payback-Karte ausstellen: Sorry, Boomer, ihr seid für die nächsten 50 Jahre vom kostenlosen CO2-Budget erstmal ausgeschlossen!

Altersdiskriminierung? Auf jeden Fall! In der Rationierung von CO2, die irgendwann (möglichst bald!) kommen wird, wenn wir die Klimaziele endlich mal ernst meinen, gehen wir Alten und die ganz Alten erstmal leer aus. Was noch an Mauritius-Flügen, Formel-1-Irrsinn, Saunaheizung per Kohlestrom oder Fleischorgien bei Grillfesten möglich ist, geht an alle unter 35. Hier und vor allem anderswo. Globale Lizenzen zum CO2-Ausstoß sind tabu für die Mittel- und Oberklasse des Globalen Nordens. Das ist dann die konkrete Umsetzung des Gejammers: „Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geborgt“.

Das wird für die letzte Generation nicht ausreichen, um alle unsere Wahnsinnstaten zu wiederholen. Aber vielleicht gibt es ihnen einen letzten Rest Glauben an die Gerechtigkeit zurück. Und vielleicht stimmt es sie ein bisschen gnädig, wenn sie das Sagen haben und uns im Pflegeheim füttern sollen. Und wenn ihre Generation irgendwann klären will, wer an dem ganzen Mist eigentlich schuld ist.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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