Deutsche China-Strategie: Blick nach Osten

Das Gezänk zwischen SPD und Grünen über Baerbocks Asienreise war unwürdig. Immerhin erhöhte es die öffentliche Aufmerksamkeit für die Krisen in Asien.

Anstecker in Form einer Chinafahne und einer Deutschlandfahne

Anstecker am Revers eines Delegationsteilnehmers, der Außenministerin Baerbock nach China begleitete Foto: Soeren Stache/dpa

Eine Sternstunde deutscher Debattenkultur war das nicht. Rund um die Asien-Reise der Außenministerin beharkten sich SPD und Grüne zu Hause mal wieder mit Leidenschaft. Ausgezeichnet hat sich ihr Streit um den richtigen Umgang mit China dadurch, dass er kilometerweit an den eigentlich anstehenden Detailfragen vorbeiging.

Dabei gäbe es davon doch genug: Bei welchen Produkten sollte Deutschland die Abhängigkeit von China besonders schnell abbauen? Wie stark soll der Staat Unternehmen fördern, die andernorts alternative Fabriken aufbauen? Wie stark soll er dagegen überhaupt noch private Investitionen in China absichern? Eine konstruktive Debatte über all diese Punkte überdeckten vor allem die So­zi­al­de­mo­kra­t*in­nen mit so pauschalen wie falschen Behauptungen, die Grünen wollten alle Brücken nach China abreißen.

Positiv lässt sich der Polemik aber immerhin eines zuschreiben: Reibung erzeugt Aufmerksamkeit. Die Öffentlichkeit beschäftigt sich zunehmend mit der krisenhaften Entwicklung in Asien und der Frage, was sie für Deutschland bedeutet. Dafür gibt es verschiedene Faktoren: die Lage in der Region an sich, die Ballung von Politiker-Besuchen nach der langen Corona-Pause, die durch den Ukraine-Krieg erhöhte Sensibilität für Großkonflikte, aber eben auch der Streit innerhalb der Koalition und jener in der EU.

Diese neue Aufmerksamkeit ist wichtig. Ohne ein Bewusstsein für die Region in der deutschen Bevölkerung wird die Politik im Umgang mit der neuen Großmacht China an Grenzen stoßen. Sie braucht den Rückhalt der Öffentlichkeit, weil allein schon der präventive Abbau von Abhängigkeiten nicht ohne Kosten und Mühen vonstatten gehen wird. Und sollte der Ernstfall eintreten, reden wir noch mal von einer ganz anderen Dimension.

Greift China in den nächsten Jahren Taiwan an, muss der Westen reagieren. Ein direktes militärisches Eingreifen käme für Deutschland genau wie beim Ukraine-Krieg aber hoffentlich nicht in Frage. Waffenlieferungen aus mittlerweile ziemlich leeren Depots wären auch nicht mehr drin. Bliebe also als einzige Möglichkeit einer ernsthaften Antwort: Wirtschaftssanktionen.

Auch wenn bis dahin tatsächlich erste Abhängigkeiten reduziert sein sollten: Wirtschaftlich würde auch Deutschland selbst dadurch in eine Krise fallen. Die Folgen wären viel dramatischer als aktuell die der Russland-Sanktionen. Gleichzeitig ist die geografische und kulturelle Distanz zu Taiwan viel größer als die zur Ukraine. Während die Politik schon jetzt Mühe damit hat, in der Bevölkerung die Unterstützung für ihre Strafmaßnahmen aufrechtzuerhalten, stünde sie im Falle Chinas vor einer noch viel größeren Herausforderung.

Wohlgemerkt: würde, wäre, stünde. Die Sätze müssen im Konjunktiv stehen. Ausgemacht ist ein Krieg schließlich nicht. Und so richtig die neue Aufmerksamkeit ist, bringt sie doch auch eine Gefahr mit sich: dass die Situation in Ostasien in Deutschland ausschließlich vor der Folie des russischen Angriffskriegs wahrgenommen wird. Falls es so kommt, würden sich die Fenster für Entspannung und Deeskalation komplett schließen – obwohl sie genauso wichtig sind wie die Prävention für den Worst Case.

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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