SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag: Sozialdemokratische Schwengelpumpen

Auf sechs Foren streitet die Berliner SPD über den Koalitionsvertrag mit der CDU. Bei Mobilität und Klimaschutz geht es besonders kontrovers zu.

Giffey vor Barrikaden

Geht die Basis auf die Barrikaden? Franziska Giffey beim Gedenken an die Märzrevolution Foto: picture alliance/dpa | Carsten Koall

Es sind die kleinen Erfolge, an denen sich die Berliner SPD beim vierten Mitgliederforum am Freitagabend festhält. „Zum Erhalt der Grünflächen gibt es konkrete Maßnahmen“, versucht Sven Heinemann den rund 100 Teilnehmenden der digitalen Veranstaltung den Koalitionsvertrag schmackhaft zu machen und zählt auf: „20 Millionen Euro haben wir mehr für die Parkreinigung und 20 Millionen für zusätzliche Straßenbäume.“

Sven Heinemann ist Landesgeschäftsführer der Berliner SPD. Bei den Verhandlungen mit der CDU hat er die Facharbeitsgruppe Mobilität, Klimaschutz und Umwelt geleitet. Es ist neben dem Thema Inneres jener Bereich, der den Genossinnen und Genossen am meisten Bauchschmerzen bereitet. Heinemann braucht auf der Veranstaltung gute Argumente.

Also betont er, dass es auch mehr Geld für die historischen Berliner Schwengelpumpen gäbe. Geld, damit die Wasserbetriebe die teils maroden Pumpen mit den markanten Drachenköpfen auf den innerstädtischen Gehwegen übernehmen können. „Die Bezirke haben gezeigt, dass sie die Sanierung nicht stemmen können“, erklärt Heinemann.

Klimaschutz nicht als ökologiosche und soziale Frage, sondern als Schwengelpumpenfrage? Natürlich hatte Heinemann noch ein gewichtigeres Argument zur Hand. Fünf Milliarden Euro wollen CDU und SPD als Sondervermögen für den Klimaschutz bereitstellen. Sollte das nicht reichen, kann das Programm um weitere fünf Milliarden erweitert werden.

Heinemann hat beide Tranchen schon mal zusammengerechnet: „Es sind nicht fünf, es sind zehn Milliarden“, betont er. „Das ist ein wichtiger Anfang.“ Mit den Grünen dagegen habe es eine solche Einigung nicht gegeben. „Die wollten 3,5 Milliarden aus dem Haushalt nehmen. Das hätte dann aber an anderer Stelle gefehlt.“

Ein Viertel des Sondervermögens, sagt Sven Heinemann in seinem fünfminütigen Werbeblock für die große Koalition, stehe für Mobilität und Klimaschutz zur Verfügung. „In der Verhandlergruppe haben wir gesagt, wir wollen die Klimaneutralität vor 2040 anstreben“, sagt er. „In der Hauptverhandlungsgruppe hieß es dann, wir wollen es vor 2045 schaffen.“ Aber auch dieses Ziel sei „ambitioniert und notwendig“.

Koalitionsvertrag bricht Mobilitätsgesetz

Wie schon bei den Mitgliederforen zuvor ist auch das am Freitag durchgetaktet. Arbeit und Soziales ist Thema, Sport und Bürgerschaftliches Engagement und schließlich Mobilität, Klimaschutz und Umwelt. Dreimal dreißig Minuten, drei Mal Für- und Widerrede, Frageblock, Antwortrunde.

Die Gegenrede zu Sven Heinemann hält Linda Vierecke. Seit der Wiederholungswahl sitzt die Pankowerin im Abgeordnetenhaus. Wenige Tage vor dem Forum war sie in Paris, twitterte von dort zum Bild eines breiten und baulich von der Fahrbahn geschützten Radwegs: „Grüsse aus Paris! Breite, sichere Radwege hier. Versucht auch niemand rückgängig zu machen.“

Vierecke verteidigt in ihrer Rede das Mobilitätsgesetz, mit dem der Koalitionsvertrag „kollidieren“ würde. Tatsächlich will sich Schwarz-Rot nicht mehr überall an die vorgeschriebene Breite von neuen Radwegen von 2,30 Meter halten. Aber auch den geplanten Ausbau der U-Bahn kritisiert Vierecke, sie setzt lieber auf die Tram.

Schon nach der Vorlage des Koalitionsvertrags am 4. April hatte Linda Vierecke getwittert: „Im #Koalitionsvertrag wollten wir als SPD deutlich mehr Mobilitätswende: mehr Tempo 30, Festhalten am Mobilitätsgesetz, Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, mehr Straßenbahnlinien. Alles Maßnahmen, die Emissionen reduzieren. Mit der CDU nicht zu machen.#noGroKoBerlin“.

Ähnlich sehen es diejenigen, die sich nach Viereckes Gegenrede am Freitag zu Wort melden. „Das ist nicht nur Stillstand, das ist ein Rückschritt“, sagt eine Genossin. „Da haben wir eine große Chance verstreichen lassen.“ Auch die Frage nach einer „gerechteren Verteilung der Verkehrsflächen“ steht im Raum. Vierecke sagt: „Da wollte wohl niemand jemandem was wegnehmen.“

Vor der Diskussion zur Mobilität hatte sich auch der Groko-Gegner Lars Rauchfuß aus dem Kreisverband Tempelhof-Schönefeld zu Wort gemeldet. „Das Wort Weiter taucht im Koalitionsvertrag 93 mal auf“, rechnet er vor. An anderer Stelle hieße es: „Wir setzen fort“ oder „Wird fortgeführt“. „Wie wollen wir jemanden überzeugen, dass der Weg mit der CDU der beste Weg ist?“, fragt Rauchfuß. Mit drei anderen Kreisverbänden hatte sich Tempelhof-Schöneberg gegen die Koalition mit der CDU ausgesprochen. Inzwischen hat der Landesvorstand solche Voten untersagt.

Für Lars Rauchfuß ist das wichtigste Kriterium bei der Bewertung des Koalitionsvertrags: „Was steht da drin, das nicht auch bei Rot-Grün-Rot drinstehen würde?“ Denn bei einer Ablehnung durch die Basis sei die Alternative nicht nur Schwarz-Grün, sondern auch die Fortsetzung des Bündnisses mit den Grünen und der Linkspartei.

Noch bis zum 21. April können die 18.500 SPD-Mitglieder in Berlin ihre Stimme abgeben. Das Ergebnis des Mitgliederentscheids wird am 23. April bekannt gegeben. Einen Tag später berät ein CDU-Parteitag über den 135-Seiten starken Koalitionsvertrag. Die Wahl von CDU-Mann Kai Wegner zum Regierenden Bürgermeister könnte dann am 27. April stattfinden.

Ob er mit allen Stimmen von CDU und SPD gewählt wird, ist eine andere Frage.

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